Dienstag, 30. Oktober 2012

Zeit, um zu rekapitulieren


Erlebnisse kommen und gehen. Bisweilen werden sie zu wirklichen Erfahrungen. Aber nur selten verwandeln sie sich in wertvolle Erinnerungen. Für mich persönlich stellen einige Momente unserer Israel-Exkursion im März dieses Jahres eine solche Form der Erinnerungen dar. Sie sind Erinnerungen an eine Zeit, die mir – obgleich mehr als ein halbes Jahr danach – noch immer klar in Gedächtnis verblieben sind.

Gerade heute wurde ich mir dessen erneut bewusst, als ich während der Vorlesung „Storia della Giudea al tempo di Gesù“ einmal mehr verstand, als wie bereichernd und gewinnbringend unsere „Reise des Jahres“ retrospektiv angesehen werden darf! In der Vorlesung heute wurden indes verschiedenste Städte Israels zur Zeit Jesu beleuchtet. Monoton und öde? Nein! Keineswegs mehr bloße Zahlen und Fakten, keineswegs eine langweilige Lektion, keineswegs das Gefühl, der Minutenzeiger bewege sich bei Betrachtung der Uhrzeit wohl eher in die falsche Richtung! Schließlich bei Masada angelangt, fragte der Professor: „Wer war denn schon einmal dort?“ Nur wenige hoben den Arm, nur wenige hatten ein Blitzen in den Augen. Eben diejenigen, die schon einmal dort gewesen waren, konnten nachvollziehen, was er damit meinte, wenn er von der „außergewöhnlichen Schönheit und Einzigartigkeit Masadas“ sprach. Sein Vortrag war gerade deswegen mitreißend, da ich nachvollziehen konnte, wovon er redete und was er zu sagen beabsichtigte. Warum mir das heute gelang? Ganz einfach! Weil er von geografischen Begebenheiten sprach, die man selbst wahrgenommen hatte. Wir waren vor knapp sechs Monaten an eben jener Stelle gestanden, von der er heute erzählte, sie sei im Jüdischen Krieg als eine der letzten Bastionen des Widerstands gefallen. Wir hatten, wie zwei Jahrtausende zuvor, die brennende Hitze am eigenen Leib verspürt. Wir hatten, wie 2000 Jahre zuvor, den staubigen Geruch, der in der Luft liegt, vernommen. Ja, uns bot sich durch die Exkursion an diesem Tag die Möglichkeit, uns direkt am Ort des Geschehens vorzustellen, wie es wohl gewesen sein musste, von einer römischen Legion mehrere Wochen hindurch belagert worden zu sein; nach einiger Zeit ganz genau abschätzen zu können, dass es keinen Ausweg mehr geben würde. Wir verstanden, warum es kam, wie wir es in den Geschichtsbüchern vorfinden. Aber noch mehr: Wir konnten von jetzt an nachvollziehen,  warum es zu der empfindlichen Niederlage gekommen war, da wir uns selbst in die Lage eingefühlt hatten. Ja, wohl auf keine andere Weise wird Geschichte so lebendig, wie bei der Gelegenheit, die sich uns durch diese Exkursion bot: Das Glück zu haben, die theoretischen Punkte der Lektionen mit den eigenen persönlich gemachten Erfahrungen verknüpfen zu können! Nicht nur deshalb kann ich mit gutem Recht behaupten, dass die Exkursion nach Israel für einen jeden von uns absolut inspirierend war.

Wie gerne erinnere ich mich neben den Erfahrungen, die wir in Masada machen durften, auch an jene in Qumran zurück, wie oft gehen mir die Bilder von Caesarea Maritima, Banyas oder Jericho durch den Kopf. Wie sehr danke ich, dass wir das Glück hatten, mit palästinensischen Studenten an der Universität Bethlehem sprechen zu können. Wie oft denke ich an das Faksimile der berühmten Handschrift des Buches Jesaja und die anderen Handschriften, die in Qumran gefunden wurden. Auch emotional denke ich gerne an die zwölf Tage im Heiligen Land zurück. Besonders die Erinnerung an die Heiligen Messen am Abend in unmittelbarer Nähe zum See Genezareth ist mir noch immer präsent. So schön waren die Gottesdienste, die wir dort in jener Gegend feierten, in welcher gut 2000 Jahre zuvor Jesus seine Jünger berief und welche eine solche Bedeutung für sein erstes Wirken haben sollte. Freilich bin ich mir auch Jerusalems eingedenk, das mit seiner Historie seinen ganz eigenen Charme besitzt. Wir trafen auf Menschen unterschiedlichster Anschauungen und bekamen ein Stück weit mit, wie viele verschiedene Glaubensrichtungen dort neben-, gegen und glücklicherweise ein Großteil von ihnen auch friedlich miteinander leben! Als besonders spannend empfand ich es, einen Einblick in das geschichtliche, politische, kulturelle und verständlicherweise religiöse Verhältnis der abrahamitischen Religionen erhalten zu haben, deren Verflechtungen wohl an keinem anderen Ort auf der Welt als in Jerusalem so deutlich auszumachen sind. Dass man die bereichernden Momente, welcher Art sie auch immer sein mögen, am eigenen Leib zu verspüren vermag, ist wohl das bedeutendste Stück Gepäck, das man in die Heimat zurückbringt und mit dessen Hilfe man mit verändertem Blickwinkel die kommenden Ereignisse betrachtet und reflektiert.

Am Ende der Reise standen wir – eine Gruppe von über 30 Personen, die sich vorher nur partiell kannte – wieder am Flughafen München. Diesmal jedoch mit dem Gefühl der Freude und inneren Zufriedenheit, mit der wir auf die vielen facettenreichen Momente der zurückliegenden Tage blickten. Das Gefühl, das sich am Ende des breit gefächerten Programms der Exkursion bei mir persönlich einstellte, als jeder seinen Koffer erhalten hatte, der Exkursionsmarathon sein Ende finden und jeder wieder in die Welt seines Alltags entlassen werden sollte, war, dass ich mich gar nicht so recht von diesen in den letzten Tagen doch ein gutes Stück weit ans Herz gewachsenen Personen trennen wollte. Wenn man bei der Verabschiedung in die Gesichter der einzelnen geblickt hat, konnte man nicht leugnen, dass es den anderen ebenso erging wie mir. Die Eindrücke aus Israel hatten eben ihre Spuren hinterlassen…

Nicht zuletzt deshalb gilt unser Dank in erster Linie Frau Nassauer, die uns diese so wunderbaren Erfahrungen durch ihren reichen Erfahrungsschatz erst ermöglicht hat. Von Herzen danken wir auch den anderen Lehrenden für ihren Einsatz in diesen ereignisreichen Tagen. Des Weiteren gilt mein Dank gerade auch jenen, die die Durchführung dieser zweifelsohne bereichernden Studienreise, die diesen Titel zurecht trägt, unterstützten, sei es durch ihren geistigen Beitrag, sei es durch das finanzielle Unter-die-Arme-greifen. Schließlich bedanke ich mich selbstverständlich auch bei jedem Einzelnen von euch. Denn ohne jeden Einzelnen wären die Tage gewiss nicht zu dem geworden, was sie noch heute für uns ausmachen: unsagbar wertvolle Momente, an die wir uns alle gewiss noch lange erinnern werden!

Erlebnisse kommen und gehen. Bisweilen werden sie zu wirklichen Erfahrungen. Aber nur selten verwandeln sie sich in wertvolle Erinnerungen. Diese Israel-Exkursion zählt zu einem solch seltenen Moment des Glücks!

Christoph Weber

Samstag, 23. Juni 2012

"Shabbat Shalom!"

Mit diesen Worten heißen die Juden am Freitagabend das anbrechende wöchentliche Fest willkommen. Für mich war der Gottesdienst zu Shabbat in der jüdischen Gemeinde Kol Haneshama ein sehr schönes Erlebnis. Nach einem langen „Spaziergang“ von École Biblique kamen wir endlich zu einer an sich unscheinbaren Synagoge. Dort wurden wir von den Mitgliedern der progressiven jüdischen Gemeinde sehr herzlich empfangen und nahmen gleich für uns reservierte Plätze ein, denn der Gottesdienst fing in wenigen Sekunden an. Jeder von uns bekam ein Buch mit dem Ablauf des Gottesdienstes. Zum hebräischen Text gab es parallel eine lateinische Transkription und eine Übersetzung auf Englisch, und so konnten wir alles gut verfolgen. Der überwiegende Teil des Gottesdienstes wurde von der Gemeinde gesungen. Der Vorsteher hat den Ton und den Rhythmus angegeben und alle haben aktiv mitgesungen. Durch die schönen Melodien wurden wir alle gleich mitgerissen. Ich hatte den Eindruck, dass sich die ganze Synagoge im Rhythmus der Psalmenlieder bewegt. Nicht nur an den Gesängen, sondern auch an den schmunzelnden Gesichtern und Bewegungen der Leute spürte man deutlich, dass sie eine tiefe Freude am Shabbat haben. Ich denke, dass viele von unseren katholischen Gemeinden sich von dieser Art des Gotteslobes (auch im sonntäglichen Gottesdienst) inspirieren lassen sollten. Auch die Verabschiedung nach dem Abschluss des Gottesdienstes war sehr schön – mit einem von Herzen kommenden „Shabbat Shalom“! 

Während unserer Reise durch Israel erlebten wir aber auch hautnah, wie zerbrechlich der „Shalom“ ist. Das ganze Heilige Land ist ein Land vieler Kontraste und Umbrüche, ein Land, das bis heute keinen Frieden gefunden hat. „Erbittet „Shalom“ für Jerusalem! Ruhe sollen die haben, die dich lieben!“ (Ps  122,6) Wie aktuell ist der Aufruf des Psalmisten gerade in der heutigen Zeit! 

Am gleichen Tag, an dem wir am Abend den Gottesdienst zu Shabbat in der Gemeinde Kol Haneshama feierten, mussten wir die Jerusalemer Altstadt umgehen, weil gerade in der Nähe vom Damaskustor der „Globale Marsch nach Jerusalem“ endete. Eine demonstrative Aktion, die an den palästinensischen Tag des Bodens erinnert und zeigen soll, dass die palästinensischen Menschen immer an ihrem Land festhalten und dass die palästinensische Frage eine globale Frage ist.  

Eine große Bereicherung für mich war die Begegnung mit fünf palästinensischen Studenten an der Bethlehem University (s. Beitrag von Sonja Prause). In einem sehr offenen und interessanten Gespräch mit ihnen gewannen wir viele neue Einsichten zur andauernden Spannung zwischen Palästinensern und Israelis. Mit ihrer jugendlichen Begeisterung und großer Sehnsucht nach Frieden setzen sich die Studenten der „Bethlehem University“ für eine bessere und friedliche Zukunft ihres Landes ein. Gibt es eine Chance, dass der Konflikt im Nahen Osten irgendwann ein Ende haben wird? Die große Mauer (viel höher als die ehemalige Berliner Mauer), die das autonome palästinensische Gebiet um Bethlehem von der Stadt Jerusalem trennt und immer weiter gebaut wird, beantwortet leider diese Frage mit klarem NEIN.

Als wir unsere letzte heilige Messe in Jerusalem an der VI. Station der Via Dolorosa feierten, bat uns die für diesen Ort zuständige Schwester der Gemeinschaft der kleinen Schwestern Jesu um Gebet für die Christen im Heiligen Land. Bewegt hat sie uns erzählt, dass die Zahl der im Heiligen Land lebenden Christen wegen der schwierigen religiösen und politischen Lage in den letzten 40 Jahren drastisch gesunken ist. 

Auch unter den Christen selbst ist der Friede des Auferstandenen nicht immer spürbar. Es genügt nur einen kurzen Blick in die Situation der heiligsten Stätte der Christen – der Grabeskirche - zu werfen (mehr zu diesem Thema s. Beitrag von Johannes Huber). Draußen vor dem Eingang in die Basilika spielt zur Abwechslung ein kleiner palästinensischer Junge mit einem Spielzeug in Form eines Maschinengewehrs. Die besser bewaffneten israelischen Soldaten, die in der Nähe stehen, lassen sich aber von ihm nicht stören…

„Shabbat Shalom“? Für mich war der Friede des auferstandenen Christus vor allem in der Gemeinschaft spürbar, die ganz spontan während unserer Israelreise gewachsen ist. Dazu gehören die gemeinsamen Eucharistiefeiern am abendlichen Seeufer von Gennesaret, die stillen Momente am frühen Morgen in der Grabeskirche, die gemeinsame Musik, die geteilte Freude oder auch Schmerz, der unermüdliche Einsatz von jedem Einzelnen für das gemeinsame Ziel… Und deshalb einen ganz herzlichen Dank an Sie/Euch alle, denn diese Reise war letztlich nicht nur eine wissenschaftliche Exkursion, sondern eine wirkliche Pilgerreise durch das Heilige Land, eine Pilgerreise zu sich selbst, zueinander, zur Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, der unser Friede ist! Shabbat Shalom!

Sonntag, 17. Juni 2012


Wanderung am Seligpreisungsberg

Wenn ich an unsere Israelexkursion zurückdenke, fallen mir spontan sehr viele Erlebnisse ein, über die ich gerne berichten würde. Aber um nicht alles vorwegzunehmen, schildere ich nun eines meiner viel so empfunden Highlights: unsere kleine Wanderung vom Seligpreisungsberg hinab nach Tabga zu unserer Herberge Bet Noah. Da wir an diesem Tag wirklich ein sehr dichtes Programm hatten, war dieser Programmpunkt fakultativ. Wir besichtigten Tel Dan, Caesarea Philippi (Banjas), den Aussichtspunkt Har Bental, Betsaida, Kafarnaum und schließlich noch das Jesus Boot, bevor unser Bus die Türen am Seligpreisungsberg öffnete. Besonders Mr. Salim, unser Busfahrer, dürfte sehr erstaunt gewesen sein, dass sich nach diesem Programm doch fast 2/3 der Teilnehmer hochmotiviert auf den Weg machten. Jeder, der dabei war, bereute diese Entscheidung zu keiner Minute. Der kleine Wanderweg schlängelte sich durch Raps- und Wiesenfelder ins Tal. Am Fuße des Berges lag der ruhige See Genezareth und von Westen senkte sich die Sonne herab. Dabei konnten wir die Ruhe genießen, uns von zahlreichen Pilgerscharen erholen und die vielen Eindrücken, die wir über den Tag gesammelt haben, Revue passieren lassen. Doch wer glaubt, dass unser Besichtigungsprogramm schon vorbei war, der irrt sich. Wir konnten es selbst nicht glauben, dass uns auf dieser idyllischen Wanderung noch ein theologisch wichtiger Ort unter die Augen kam. Etwa auf halber Strecke lag völlig unscheinbar inmitten der Rapsfelder ein kleiner Platz, an dem wir zwei Steine und einen sehr alten Baum stehen sahen. Auf der Hinterseite einer der beiden Steine, konnte man Reste der Bergpredigt auf Englisch eingeritzt erkennen. Laut dem Benediktiner Bargil Pixner, könnte hier wohl der Ort gewesen sein, an dem Jesus die Bergpredigt verkündigte. Diese Lokalisierung begründet er mit der günstigen Lage und der stimmungsvollen Atmosphäre dieses Platzes. Meines Erachtens ist dies wirklich ein wunderbarer Ort, um der Bergpredigt zu gedenken. Zufrieden und ich muss auch zugeben, schon etwas erschöpft, kamen wir etwa eine Stunde später in unserer Unterkunft in Tabga an. Hier erwartete uns bald ein gemeinsames Mahl, bevor wir den Tag mit einem gemeinsamen Lichtergottesdienst am See abrundeten!

An  dieser Stelle möchte ich mich nun bei allen bedanken, die uns diese Reise ermöglicht und dazu so haben. Besonders betonen möchte ich das Engagement von Frau Nassauer, die unsere Exkursion einfach unvergesslich gestaltet und organisiert hat. Vielen Dank, das kann man finde ich einfach nicht oft genug sagen!!!


Katharina Scheller

Dienstag, 12. Juni 2012

Den Horizont erweitern...


Eine Exkursion ins Heilige Land kann ohne religiöse Erfahrungen kaum gehen. Mir wurde bewusster, dass wir Menschen heilige Orte brauchen, die uns Gott näher bringen. Zweifellos waren viele besuchte Stätten, wie der See von Genezareth, Getsemani, Golgota, und das Heilige Grab solche Orte für mich. Aber in diesem Blog wollte ich nicht darüber schreiben…
„Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Israel ist erstmals in den knapp 60 Jahren ihres Bestehens geschändet worden. /…/ Der Vorsitzende der Gedenkstätte, Avner Schalev, äußerte sich empört über die Schändung: ´Wir sind schockiert und verstört über diesen Ausdruck brennenden Hasses gegen die Zionisten und den Zionismus´, sagte er. Die beispiellose Tat überschreite eine rote Linie. Zugleich deutete er an, dass ultra-orthodoxe Juden für die Tat verantwortlich sein könnten....”
Diese Nachricht erinnerte mich sofort an unseren Besuch von Jad Vaschem, der mir jetzt wieder sehr lebendig vor Augen steht. Beeindruckend fand ich die Qualität der Darstellung: Der Wagon auf der Brücke, der in den Absturz führt; die geschichtliche Darstellung der Massen und der Einzelpersonen; die Kerzenlichte und die Namen der Kinder; die Säulen mit den Ortsnamen der vernichteten Gemeinden… Das ist alles so ausdrucksreich, voll mit Symbolen… Ja, das ist eine hohe Kunst, und für Israel ein Weg, um diese furchtbare Geschichte zu verarbeiten. Jetzt kommt diese Nachricht, und – Dank der Exkursion - ich weiß, worum es hier geht… Aber eigentlich wollte ich auch nicht darüber schreiben.
Für einen großen Gewinn der Exkursion halte ich, dass ich in die religiöse Vielfalt Israels einen tieferen Einblick bekommen habe. Darüber möchte ich schreiben, und die „ultra-orthodoxen Juden“ gehören auch dazu.
Ein großes Lob verdient unsere israelische Reisebegleiterin, die nicht müde wurde uns während der Busfahrten über die verschiedenen Religionen und Absplitterungen aufzuklären. Sie hat ausführlich über das Judentum geredet: Über die liberalen bzw. orthodoxen und auch über die ultra-orthodoxen Juden. Sie hat erzählt, wie sie den Sabbat begeht und auf meine Nachfrage hat sie auch kurz erklärt, warum sie vom Christentum zum Judentum konvertiert ist: Sie hat das Alte Testament immer schon geliebt, und als sie im Rahmen des Studienjahres in Israel war, hat sie das Judentum immer mehr kennengelernt. Sie empfand, dass es sich vielmehr um die Fragen kümmert, wie man praktisch lebt und wie man glücklich wird. Mit der Zeit hat sie auch gemerkt, dass Jesus für sie doch nicht das Zentrum zu sein scheint, auf den man nicht verzichten könnte…
Als wir das Gebiet der Kabbala um Safed durchkreuzten, erzählte sie uns über die jüdische Mystik. Kabbala wurde deswegen das Zentrum dieser Strömung, weil viele Juden sich hier ansiedelten, nachdem sie aus Spanien vertrieben wurden. Nicht weit von Tabgha wohnen die Messianisten. Sie sind Juden, die Jeschua als Messias anerkennen, die Kirche aber nicht. Mit ihren Behauptungen stehen sie in ziemlicher Spannung mit anderen Juden. Im Norden sind wir noch einigen Drusen begegnet. Sie sind leicht zu erkennen, weil sie in schwarz rumlaufen. Das ist eine Gruppe, die sich vom Islam um 1000 abgespalten hat und ihren Glauben geheim hält: mit 16 müssen sich die Jugendlichen entscheiden, ob sie religiös leben werden. Wenn ja, dann werden sie in die Religion eingeführt und dürfen nur innerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft heiraten.
Über den Islam muss ich nicht lange schreiben. Die massiven Konflikte zwischen Juden und Palästinensern spürten wir oft in der Luft. Es ist traurig zu sehen, wie in Israel viel Aggression und Leid in den Religionsunterschieden ihren Grund haben.
Enden möchte ich mein Blogbeitrag mit dem Besuch in Akko: Dort erzählte unsere Reisebegleiterin lange über die Religion Bahai. Sie scheint eine unter den ganz wenigen Religionen zu sein, die auf Harmonie und Friede unter den Religionen setzt. – Angesichts vieler Konflikte im Nahen Osten sollten wir ihre Anliegen würdigen.
Ich bin sehr Dankbar für die vielen Erfahrungen mit diesen verschiedenen Religionen und auch dafür, dass ich mit euch diese Reise erleben durfte. 
Csermák Péter

Dienstag, 29. Mai 2012

Abraham und Isaak


Israel hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Im Grunde bin ich heute noch nicht fertig damit, die ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Aber hier möchte ich eine kleine Sache ansprechen, die mich persönlich beeindruckt und meine Einstellung verändert hat. Anderen kommen diese Gedanken wahrscheinlich banal vor, trotzdem möchte ich sie kurz ausführen:



Dazu muss ich sagen, dass ich in der Zeit vor der Israel-Exkursion damit beschäftigt war, meinen Praktikumsbericht zum studienbegleitenden Praktikum anzufertigen, in dem man unter anderem eine selbst gehaltene Unterrichtsstunde ausarbeiten soll. Dafür habe ich eine Unterrichtsstunde in der fünften Klasse ausgewählt, die sich mit der Bindung Isaaks beschäftigte. In der Vorbereitung musste ich feststellen, dass dieses Thema völlig kontrovers ausgelegt und diskutiert wird. Ich entschied mich aus verschiedenen Gründen dafür, den Kindern die Bedeutung dieser Bibelstelle zu vermitteln, indem sie die Abkehr von Menschenopfern darstellt. Die Schüler sollten hier eine Besonderheit des abrahamitischen Gottesbildes kennen lernen.

So viel zur Vorgeschichte, die Stunde lief dann auch ganz gut. Interessant war allerdings die Diskussion, die sich im Nachhinein zwischen meiner Betreuungslehrerin und dem Religionslehrer der betreffenden fünften Klasse (der mir die Aufgabe übertragen hat, dieses Thema mit seiner Klasse zu erarbeiten) entsponnen hat. Während ihm der Aspekt des Auf-die-Probe-Stellens gefehlt hat, vertrat sie den Standpunkt, dass das Thema überhaupt nicht für eine fünfte Klasse geeignet sei, und schon gar nicht als Probe. Ich selbst stellte mir daraufhin auch die Frage, ob ich das Stundenkonzept so je wieder anwenden werde, oder ob es nicht ganz pragmatisch einfacher sei, das Thema künftig auszulassen. Die letzte Variante war allerdings auch nicht wirklich zufriedenstellend.



So und jetzt komme ich dazu, inwiefern mich Israel in dieser speziellen Frage weiter gebracht hat. Schon in der Vorbereitung auf mein Referat am Haram es Sarif bin ich wieder über Abraham und Isaak gestolpert. Schließlich soll das in Gen 22 geschilderte Geschehen an diesem Ort im heutigen Jerusalem stattgefunden haben (wirklich plausibel ist das nicht, weil in Gen 22 vom Land Morija die Rede ist, während der Berg als solches einen anderen Namen erhält, nach Verfassen des Buches der Chronik findet dann wohl redaktionell motiviert die Zusammenlegung des Berges mit dem Begriff Morija statt). Trotzdem wird hier aus der Tradition heraus einer der wichtigsten Orte für die abrahamitischen Religionen mit der Bindung Isaaks verbunden.

Bei der Besichtigung der Ausgrabungen von Sepphoris schließlich wieder - die Bindung Isaaks als Mosaik auf dem Boden der uralten Synagoge. Hier nimmt die Szene eine ganz zentrale Stelle ein, bei der es um das Konzept der Verheißung geht.

Auch in christlichen Kirchen, z.B. der Grabeskirche, ist die Szene verewigt - als Bemalung an den Kirchenwänden.



Insgesamt kann ich sagen, dass mir gefühlt jeden Tag Abraham und Isaak über den Weg gelaufen sind, um das mal bildlich auszudrücken. Beim Durchsehen meiner Fotos ist mir das noch einmal deutlich vor Augen geführt worden.



So komme ich wieder zurück auf mein Ausgangsproblem: soll ich die Bindung Isaaks in der fünften Klasse besprechen, und wenn ja, wie?

Israel hat mich folgendes gelehrt: das Thema auszulassen kommt nicht in Frage. Dazu nimmt es einen zu zentralen Standpunkt im Christentum, Judentum und Islam ein. Ob ich dagegen die Stunde wieder genau so aufziehen werde wie beim letzten Mal, werde ich mir noch überlegen. Es bleibt nämlich das Problem, dass es keine einheitliche Meinung zur Bedeutung von Gen 22 gibt, dagegen viele widersprüchliche Interpretationen. Vielleicht bietet es sich ja an, die Szene auch einmal aus der Sicht anderer abrahamitischer Religionen zu beleuchten und dann kann ich meine Fotos von der Synagoge in Sepphoris, dem Felsendom und auch der Grabeskirche heraus holen und den Schülern erklären, warum sie mich so sehr beeindruckt haben.

Samstag, 12. Mai 2012

Jerusalem - St. Peter in Gallicantu

Die Reise in das Heilige Land ist durch den Besuch vieler bedeutender historischer Stätten für mich zu einem einmaligen Erlebnis geworden.
Besonders Jerusalem und seine Altstadt zu sehen, war für mich eine tolle Erfahrung. Die Stimmung abends im jüdischen Viertel war einmalig – ruhig, spirituell anmutend und doch freundlich. Nach einer kurzen Wegstrecke durch das Zionstor gelangten wir von dort schnell wieder zu unserem Quartier, auf dessen Gelände auch die Kirche St. Peter in Gallicantu steht.
Die Kirche St. Peter in Gallicantu (= St. Peter zum Hahnenschrei) liegt südlich der Altstadt, am Osthang des christlichen Zionsberges in Jerusalem. Man erreicht sie – wie gesagt – über das Zionstor, dem südlichen Ausgang der Altstadt.
In der Überzeugung von der Bedeutung des überlieferten Geschehens haben die ersten christlichen Gemeinden zunächst versucht, die Stelle zu lokalisieren, wo es sich ereignet hatte, und dann die Erinnerung daran lebendig zu halten gesucht. Es ist nicht verwunderlich, daß die Kaiserin Eudokia bei einer Reise nach Jerusalem auf dem Berg Zion eine Kirche zu Ehren des Hl. Petrus errichten ließ, sehr wahrscheinlich im Jahr 457. Diese Kirche wurde 529 während des Aufstandes der Samaritaner beschädigt und 614 von den Persern zerstört. Eine zweite Kirche, die armenische Mönche betreuten, wurde um 628 errichtet. Diese wurde bereits 1009 durch den Kalifen Hakim zerstört. Eine dritte Kirche, die von griechischen Mönchen betreut wurde, wurde von den Kreuzfahrern vor 1102 errichtet, 1219 zerstört und durch ein Oratorium ersetzt, das seinerseits zwischen 1293 und 1335 zerstört wurde.
Im Jahre 1888 entdeckten Patres des Assumptionistenordens die Reste einer etwa 20 x 16 m großen byzantinischen Kirche aus dem 6. Jahrhundert, die von den Kreuzfahrern erneuert worden war. Über diesen Ruinen entstand der heutige Kirchenbau, der 1931 geweiht wurde. Die Kuppel der Rundkirche hat ein kreuzförmiges Fenster. Mosaiken in der Kirche zeigen Jesus vor dem hohen Rat, den weinenden Petrus und verschiedene Büßergestalten. Die Kirche erinnert an die Verleugnung des Petrus nach der Verhaftung Jesu (Mt 26, 69-75; Lk 22, 56-62; Joh 18, 15-18.25-27).
Es gibt die Hypothese, dass an dieser Stelle das Haus des Hohenpriesters Kaiphas gestanden haben soll, vor den und die dort versammelten Ältesten Jesus nach seiner Gefangennahme geführt wurde (Mt 26,57).
Beim Bau der Kirche stieß man auf eine Geißelungskammer und eine Grotte, die als Gefängnis diente. Die Geißelungskammer ist in den Felsen gehauen. An den Säulen befinden sich aus dem Felsen herausgeschälte Ösen, durch die Stricke gezogen wurden, um die Arme und Beine des Sträflings daran anzubinden, damit man ihn besser auspeitschen konnte. Zu Füßen befinden sich zwei aus dem Felsen ausgehöhlte Becken. Das größere war für Salzwasser, um die Wunden damit zu desinfizieren, und das kleinere daneben war für Öl, womit die Wunden bestrichen wurden, damit sie wieder heilten.
Die Grotte, in die man von der Krypta aus blicken kann, wird als sogenanntes Gefängnis Christi ausgewiesen. Der Tradition nach wurde Jesus hier nach seiner Verhaftung gefangen gehalten. Der Ort gibt einen guten Eindruck davon, wie ein Verließ um jene Zeit ausgesehen haben mag. Damals gab es nur einen einzigen Zugang – eine enge runde Öffnung, durch die der Gefangene mit einem Seil um seine Brust von oben herabgelassen wurde. Das Seil blieb um seine Brust, damit man ihn damit wieder herausziehen konnte.
Ausgrabungen nördlich der Kirche brachten Teile eines antiken hasmonäischen Stufenweges ans Tageslicht, der vom Berg Zion ins Tal bis zum Teich Siloah führt. Über diese Treppe könnte Jesus nach dem letzten Abendmahl nach Gethsemane zum Ölberg gegangen sein. Über die gleiche Treppe könnte er eben auch später zum hohepriesterlichen Palast abgeführt worden sein.
Wer die Kirche besucht, kann Lk 22, 56-62 durch buchstäblich mehreren Ebenen auf sich wirken lassen. Über die heutige Kirche mit ihren zahlreichen Mosaiken (Verspottung der Wächter, Verurteilung zum Tod, Jesus wendet sich um und blickt Petrus nach der Verleugnung an etc.) kommt man zu einer Krypta, in die Teile eines älteren Kirchenbaus (s.o.) eingearbeitet sind, und schließlich gelangt man hinunter in das Gefängnis. Der Ausgang führt direkt auf die römische Treppe und weitere Ausgrabungen außerhalb des Kirchengebäudes zu.
„Ich freute mich, als man mir sagte: Zu Hause des Herrn wollen wir pilgern. Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem“ (Ps 122) und es war klasse!! J
Vielen Dank an die Sponsoren, Organisatoren und Mitfahrer für diese wahrlich berührende und einzigartige Studienreise!

Freitag, 4. Mai 2012

Omnipräsenz trotz Zerstörung - der Jerusalemer Tempel


Blättert man durch das Neue Testament oder hört aufmerksam das Evangelium während eines Gottesdienstes, so können bei Nicht-Theologen, aber auch bei Theologen schnell folgende Fragen auftauchen: Wieso wird in der Bibel immer von einem „Tempel“ gesprochen? Das Judentum ist doch eine Schriftreligion und zum Beten gehen die Juden in eine Synagoge!? Was hat nun plötzlich ein „heidnisch-römischer“ Tempel mit dem Judentum oder gar mit seiner Tochter- bzw. Schwesterreligion, dem Christentum zu tun?
Fragen über Fragen – und letztendlich erschloss sich für mich die derart herausragende Bedeutung des Tempels für das Judentum der Zeit Jesu erst auf unserer Israel-Exkursion.
Als wir bei unserer Ankunft in Jerusalem auf dem Mount Scopus bei Sonnenuntergang die gesamte Jerusalemer Altstadt vor uns liegen hatten, wurden unsere Blicke sozusagen automatisch von der goldenen Kuppel des Felsendomes angezogen, der heute auf dem Areal des jüdischen Tempels steht und eigentlich das gesamte Stadtpanorama von Jerusalem dominiert. Als wir dann am Abend zur „Western Wall“ (Klagemauer) – ein originales Teilstück der Tempelbergbefestigung aus herodianischer Zeit – liefen, so ragte eine 18 m hohe Steinmauer vor uns auf und spätestens jetzt wurden uns die gewaltigen Ausmaße des jüdischen Tempels bewusst. Heute noch ist die „Westmauer“ als letztes Relikt des Tempels das größte Heiligtum der Juden – auch uns als Nichtjuden war es gestattet (natürlich geschlechtergetrennt) bis zur Mauer zwischen den betenden Juden vorzugehen.
Der Grund dafür, dass vom Tempel selbst heute nichts mehr übrig ist, ist die völlige Zerstörung des Tempels durch den römischen Feldherrn Titus im jüdisch-römischen Krieg im Jahre 70 n.Chr. Um einen Eindruck von der Architektur des Tempels und seiner Integration in das damalige Stadtbild von Jerusalem zu bekommen, besichtigten wir im Israel-Museum ein sehr großes Modell des Zweiten Tempels. Hier wurde uns noch einmal die Konzeption des Tempels vor Augen geführt: Vorhof der Heiden, Frauenvorhof, Männervorhof, Priesterhof bis hin zum Allerheiligsten, welches nur einmal im Jahr am Versöhnungstag vom Hohepriester betreten werden durfte. Das von Herodes dem Großen begonnene Bauwerk soll eines der prächtigsten Bauwerke der Antike gewesen sein. Flavius Josephus schreibt dazu in seinem Werk: „Der äußere Anblick des Tempels bot alles dar, was Auge und Herz entzücken konnte. Auf allen Seiten mit schweren goldenen Platten bekleidet, schimmerte er bei Sonnenaufgang im hellsten Feuerglanz und blendete das Auge gleich den Strahlen des Tagesgestirns.“ Im Tempelmodell war auch sehr deutlich der Brandopferaltar vor dem Allerheiligsten zu sehen, auf dem die Paschalämmer, aber auch größere Tiere, wie z.B. Stiere geschlachtet wurden. Sicherlich darf wegen der üblichen Übertreibung in Josephus Schilderungen die Beschreibung des Tempels, was ja schon fast einer Glorifizierung gleichkommt, nicht nur für bare Münze gehalten werden. Man muss ebenso bedenken, dass es durch die vielen Opferschlachtungen vorkommen konnte, dass man in der Umgebung des Altars durch das Blut der Opfertiere waten musste. Durch die regelmäßig dargebrachten Brandopfer konnte der Tempel auch nicht immer in einem goldenen und weißen Licht leuchten, sondern war umgeben von Rauchschwaden, welche vermutlich auch nicht die angenehmsten Gerüche mit sich trugen.
Der eigentliche Tempel war schließlich umgeben von einer großen freien Fläche, welche wiederum von einer Säulenhalle umringt war, in der die Kaufleute ihre Stände hatten. In dieser Säulenhalle fand auch die Tempelaktion von Jesus statt – und nicht, wie oft vermutet wird, im eigentlichen Tempel. An der Nordwestseite des Tempels ragte die Burg Antonia hoch empor.
Durch das Tempelmodell bekamen wir sowohl einen Einblick in die architektonische Gestaltung des herodianischen Tempels, wir konnten jedoch auch eine Sensibilität für die herausragende Bedeutung des Tempels und des Tempelkultes des antiken Judentums entwickeln. Umso mehr wurde uns bewusst, welche Zäsur die Tempelzerstörung für das damalige Judentum darstellte und das Judentum seitdem zu einer reinen Schriftreligion „konvertierte“. Auch wenn der Tempel schon seit fast 2000 Jahren zerstört ist, so hatte ich das Gefühl, dass er während unserer Tage in Jerusalem omnipräsent war, sei es in Museen, sei es in der Auseinandersetzung mit der Theologie des Judentums oder einfach im Gespräch mit Tamar, unserer jüdischen Reiseleiterin, die uns u.a. von Strömungen im Judentum erzählte, die für eine Wiedererrichtung des Tempels und eine Restauration des Tempelkultes plädieren.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Grabeskirche


Die Grabeskirche in Jerusalem zählte zu den Orten, auf die ich mich am meisten während unserer Reise durchs Heilige Land gefreut habe. Die Tatsache, dass der Großteil der Forschung es zumindest nicht für unwahrscheinlich hält, dass sich in dieser Kirche tatsächlich die Orte von Jesu Tod und Auferstehung befinden, machte sie für mich nur um so interessanter.
Eines gleich vorweg: Wer sich erhofft eine bildliche Vorstellung zu bekommen, was hier im April vor rund 2000 Jahren außerhalb der Stadtmauern passiert sein soll, der sei auf das Gartengrab nördlich des Damaskustores verwiesen, wo anglikanische Christen das Grab Jesu inmitten einer beschaulichen Gartenanlage verehren. Die Grabeskirche dagegen liegt heute mitten in der Altstadt umgeben von zahlreichen belebten Gassen, in denen sich der Besucher nach Lust und Laune mit Souvenirs zudecken kann. Die vielen prunkvollen Altäre, Kronleuchter und Ikonen im Innern der Kirche erschweren es hier einen Eindruck von den damaligen Verhältnissen zu bekommen.

Unsere Reisegruppe besuchte die Grabeskirche gleich mehrmals, zweimal davon nachmittags. Aufgrund der Pilgermassen teilten wir uns dabei in Kleingruppen auf. Nebenbei bemerkt sollte man als Besucher der Kirche im Ausfahren von Ellbogen geübt sein.
Gleich beim Eintreten fällt der Salbungsstein ins Auge, auf dem Jesu Leichnam für das Begräbnis einbalsamiert worden sein soll. Mir persönlich waren die Pilger befremdlich, die den Stein z.T. unentwegt küssten und daran mit der Hand oder Stofffetzen so fest rubbelten, als wollten sie eine Wunderheilung herbeizwingen. Mir gings nach Berühren des Steins jedoch wie eh und je und so ging es für mich gleich weiter zum Golgota. Rechts vom Eingang Richtung Osten befindet sich über der sogenannten Adamskapelle der Kalvarienberg, wo sich der griechisch-orthodoxe Kreuzigungsaltar und der Stabat-Mater- und Kreuzannagelungsaltar der Katholiken befindet. Durch eine Glasscheibe kann man noch die Überreste des Felsens sehen, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Hier eine andächtige Minute zu finden, ist allerdings wegen des großen Andrangs alles andere als leicht.
Eher ernüchternd wirkte auf mich dagegen der sogenannte Omphalos, der Nabel der Welt, inmitten des griechisch-orthodoxen Katholikons. Fast gleich sieht der Opferstock direkt daneben aus und wäre da nicht dieses Pilgergrüppchen gewesen, das eines der beiden Gebilde mit ehrfurchtsvollen Küssen bedeckt hätte, so wüsste ich wohl bis heute nicht um die Identität des Omphalos.  
Im Osten der Kirche befindet sich schließlich das Heilige Grab unter einer mehr oder weniger - in diesem Fall weniger -  kunstvoll ausgearbeiteten Kuppel. Das Heilige Grab selbst ist im Stil eines gewöhnungsbedürftigen Kiosks gestaltet und wird durch Stahlstützen vor dem Einsturz bewahrt. Die nicht vorankommenden Renovierungsarbeiten haben ihre Ursache in der schwierigen ökumenischen Situation der Grabeskirche. Die Grabeskirche beherbergt nämlich Katholiken, Griechisch-orthodoxe, Kopten, Syrer und Armenier unter ihrem Dach. Auf ihrem Dach dagegen leben äthiopische Mönche in ärmlichen Verhältnissen. Die minuziöse Aufteilung der Kirche unter den verschiedenen Konfessionen zählte für mich ebenfalls zu den faszinierenden Tatsachen. Dass es den Mönchen allerdings selbst bei einem der größten Heiligtümer der Christenheit nicht gelingt ohne Reibungen und Besitzansprüche miteinander auszukommen, hat mich für die ökumenische Gesamtsituation auf der Welt nicht gerade positiv gestimmt. Damit verließ ich die Grabeskirche mit gemischten Gefühlen.

Einen ganz anderen Eindruck bekommt man dagegen, wenn man die Kirche frühmorgens besucht. Dann ist die Kirche nämlich fast leer und man kann zu einer inneren Andacht gelangen, die für diesen Ort angemessen erscheint. Zweimal bot sich uns die Gelegenheit direkt am Heiligen Grab Gottesdienst zu feiern, was für mich ein ganz besonderes Erlebnis war. Dank des Muezzins war das Aufstehen um 04:00 Uhr auch kein Problem und ein morgendlicher Spaziergang durch die leeren Straßen Jerusalems bei Sonnenaufgang machte die Müdigkeit auch schon fast wieder wett… aber nur fast.

Alles in allem war die Reise ins Heilige Land aufgrund des vollen, wenn auch anstrengenden Programms und dem guten Zusammenhalt in unserer Gruppe sehr bereichernd. Israel hat mich bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen!

Mittwoch, 2. Mai 2012

Megiddo

Am zweiten Tag der Exkursion fuhren wir, nachdem wir Caesarea Maritima besichtigt hatten, nach Megiddo.
Zugegebenermaßen hatte ich mich vor dem Vorbereitungssamstag nie wirklich mit Ausgrabungen aus alttestamentlicher Zeit befasst und konnte auch mit Megiddo nicht viel anfangen (mit Armageddon aus der Offenbarung des Johannes hatte ich nichts Reales in Verbindung gebracht). So konfrontierte mich der Vorbereitungstag mit Vier- und Sechskammertoren, den Ställen des Salomo, verschiedensten Ausgrabungsmethoden, Tells... Allerdings blieb mir einiges davon unklar, beispielsweise, wie man in einem Stadttor Gericht halten kann.
War Caesarea noch mit Ausgrabungen vergleichbar, die ich bisher gesehen hatte (beispielsweise in Rom), hob sich Megiddo allein schon durch seine Lage davon ab: Die Ausgrabungsstätte liegt nämlich auf einem Tell, also einem Ruinenhügel, und es war meine erste Begegnung mit einem solchen. Nach einer kurzen theoretischen Einführung in den Gebäuden des Nationalparks begaben wir uns auf die Ausgrabungsstätte.
Über eine Rampe erreichten wir das Kammertor. Hier wurde mir klar, dass ich von der falschen Dimension ausgegangen war und es wesentlich größer war, als ich es mir gedanklich konstruiert hatte. Weiter ging es zum Abhang von Schumacher's Trench, der ein Nachlass Gottlieb Schumachers ist, der hier ein Mal quer durch den Tell gegraben hat, und zeigt, dass Ausgrabung eben auch Vernichtung von Schichten bedeuten kann.
Zum zweiten Mal merkte ich an diesem Tag, dass ich in der falschen Dimension gedacht hatte, als wir vor den Ställen Salomos - oder dem was manche dafür halten - standen. Dieses Mal war das Größenverhältnis allerdings umgekehrt: Das, was davon übrig ist, ist deutlich kleiner als von mir gedacht. Wie darin etwa 1000 Pferde und die dazugehörigen Streitwagen (wie mein Reiseführer behauptet) unterkommen könnten, ist mir schleierhaft. Verlassen haben wir das Tell durch das Wasserversorgungssystem: Zuerst führt eine Treppe in mehrere Dutzend Meter Tiefe, anschließend erreicht man durch einen Tunnel die Quelle, die außerhalb der Stadtmauern liegt.
Offen bleibt für mich weiterhin die Frage (obwohl ich die Theorie kenne) wie ein Tell entsteht. Vorstellbar ist es für mich nicht, dass eine Stadt mehrmals zerstört wird, immer wieder auf den Ruinen aufgebaut wird und so ein Siedlungshügel entsteht.
Die Nachwirkungen der Besichtigung Megiddos zeigten sich erst kürzlich: zum einen an einem Wochenende, als ich mich noch einmal durch die Folien von Florian Lippke vom Vorbereitungssamstag klickte, und erkannte, um wie viel verständlicher nun vieles davon für mich geworden war. Zum anderen, als in der darauffolgenden Woche in einer alttestamentlichen Vorlesung anhand von Rut 4 das Gerichtswesen am Tor erläutert wurde. Die Erkenntnisse der Exkursion sind im alltäglichen Vorlesungsbetrieb angekommen, was die Exkursion wirklich wertvoll macht und für mich zeigt, dass Theorie ohne Anschauung blass bleibt und Anschauung ohne Theorie nicht funktioniert.

Donnerstag, 26. April 2012

Sepphoris

Am dritten Tag unserer Reise sind wir morgens von Tabgha Richtung Nazaret aufgebrochen. Unsere erste Station war jedoch die Ausgrabungsstätte des antiken Sepphoris.

Es war schön zu beobachten, wie sich doch schon am dritten Tag gewisse Reiserituale in unserer Gruppe ausgebreitet haben. Erstmal ankommen... Toilette suchen, Souvenirshop abklappern, ganz wichtig Kaffee nicht vergessen. Dann aber schnell weiter im vollen Tagesprogramm.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Sepphoris hat im Laufe der Geschichte verschiedene Namen erhalten. Die Römer nannten es z.B. zu Ehren des Gottes Zeus und Caesars Diocaesarea. Zippori ist wohl ein geläufigerer Name für die Stadt und geht auf hebräische Traditionen zurück. Heute findet sich nicht weit von den Ausgrabungen ein moderner Ort, der diesen Namen übernommen hat.
Bereits unter römischer Besatzung wird Sepphoris 55 v. Chr. zur Hauptstadt Galiläas ernannt. 37 v. Chr. erobert Herodes der Große die Stadt. Nach dessen Tod bricht eine Revolte der jüdischen Bevölkerung gegen die Römer aus. Die Unruhen werden aber von den Römern niedergeschlagen, die Stadt z.T. verbrannt und die Juden in die Sklaverei verkauft. Während der antirömischen Revolte in den 60er Jahren n. Chr. beteiligen sich die Einwohner Sepphoris nicht am Aufstand, wohl noch unter dem Eindruck der Folgen dieser ersten innerstädtischen Revolte, sodass ihre Stadt von Zerstörungen verschont bleibt. Im 3. Jh. kommt die Stadt wieder unter jüdische Führung. 363 n. Chr. wird die Stadt von einem Erdbeben zerstört, wird aber wieder aufgebaut. In späteren Zeiten besetzen Kreuzfahrer die Stadt. Die Stadt kommt außerdem unter arabische Herrschaft.

Die Ausgrabungen von Sepphoris sind v.a. für ihre Mosaiken berühmt. Am Cardo, einer typischen römischen Straße, findet sich das Nil-Haus. In diesem Haus finden sich umfangreiche Mosaiken, welche die ägyptischen Feierlichkeiten zur Nilschwemme darstellen. Am Gipfel des Hügels von Sepphoris befindet sich eine römische Villa aus dem 3. Jh. n. Chr. Hier kann man ein Mosaik sehen, das das Leben des Dionysos darstellt. Außerdem gibt es ein Bild einer Frau, welche man gerne als "Mona Lisa von Galiläa" beschreibt. Eine weiteres und gut erhaltenes Mosaik findet sich in der Synagoge von Sephhoris. In der Mitte dieses Mosaiks ist ein Zodiak abgebildet, zeigt also die Sternkreiszeichen. Ansonsten sind v.a. alttestamentliche Szenen dargestellt.
Neben einem römischen Theater und einer Kreuzfahrerfestung, können in Sepphoris Wohnsiedlungen aus verschiedenen Perioden besichtigt werden, sowie ein Friedhof und ein antikes Wasserversorgungssystem.

Sicherlich sind die Mosaiken beeindruckende künstlerische Erzeugnisse. Für uns als Theologen dürfte aber ein anderer Sachverhalt von höherem Interesse gewesen sein. Sepphoris war eine florierende Stadt mit einem reichen kulturellen und religiösen Leben. Es war Hauptstadt und ein Zentrum der jüdischen Religion.  Römische, hellenistische und jüdische Lebensweisen trafen in dieser Stadt aufeinander. Die Nähe zu Nazaret ist jetzt spannend. Nazaret liegt nur etwa 5 Kilometer von Sepphoris entfernt. So stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf das Bild des historischen Jesus hat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Jesus, der Nazarener, der aus einem kleinen, ländlichlichen Ort kam, keinen Kontakt zu dieser "Großstadt" hatte.

So weit, so gut.

Israel ist definitiv eine Reise wert. Für mich persönlich war es weniger beeindruckend die heiligen Orte im Einzelnen zu sehen, sofern es denn die Pilgermassen zuließen, als vielmehr ein Gespür für dieses Land zu bekommen. Man erhält z.B. einen neuen Zugangsweg, ein tieferes Verständnis für das, was in der Bibel beschrieben ist, wenn man mit den Örtlichkeiten vertraut ist.
Der Erfolg der Exkursion ist sicherlich der guten Organisation geschuldet, aber auch einer wunderbaren Gruppe. Es ist selten, dass so eine große Gruppe so gut miteinander auskommt.
Insofern vielen Dank an alle für ein unvergessliches Erlebnis!



Dienstag, 24. April 2012

Yad Vashem


Yad Vashem – was für ein beeindruckender Ort!
Als wir am zehnten Tag unserer Reise und am Ende eines sehr anstrengenden Tages in Yad Vashem ankamen, konnte ich mich kaum noch konzentrieren, doch die weltweit größte Holocaustgedenkstätte zog mich sofort in ihren Bann.
Bereits am Tag zuvor hatte uns Tamar eine kleine Einführung zu dem Museum gegeben und uns u. a. die Entstehungsgeschichte und den Namen des Ortes erklärt. Yad Vashem (hebr. „Denkmal und Name“) leitet sich aus Jes 65,5 ab: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals getilgt wird.“

Die gesamte Gedenkstätte liegt auf dem Herzl-Berg und nimmt durch verschiedene Denkmäler und Gebäude ein sehr weitläufiges Areal von 4200m² ein, im Gegensatz zum eigentlichen Museum, das unterirdisch liegt. Auf dem äußeren Gelände haben mich besonders die Bäume/die Allee für die Gerechten unter den Völkern beeindruckt. Im Grunde ist es ein Mischwald, der mittlerweile den ganzen Berg bedeckt. Jeder Baum hat ein Namensschild, der den Namen (manchmal auch von ganzen Familien) eines nichtjüdischen „Gerechten“ trägt, der einen Juden während des Nationalsozialismus gerettet hat. Genauso erwähnenswert sind jedoch die „Halle der Erinnerung“ das „Denkmal für die Kinder“ oder das „Tal der Gemeinden“.
Das von außen nicht sichtbare Museum zeichnet chronologisch die Geschichte der Juden in Europa nach. Am Anfang der Ausstellung wird eine Art Kunstfilm gezeigt, der die Vielfalt des jüdischen Lebens vor dem Holocaust zeigen soll. Der Zuschauer wendet sich daraufhin symbolisch, aber auch physisch davon ab und beginnt den Weg in das Tal des Todes. Das einzige, was der Besucher daraufhin sieht, ist ein langer gerader Gang (180m), der in der Mitte seinen tiefsten Punkt hat und am Ende wieder hinauf an die Erdoberfläche führt – wie ein Pfeil, der sich durch den Berg gebohrt hat. Die einzelnen Ausstellungsräume, die links und rechts des Weges liegen, müssen hintereinander durchlaufen werden, so wird nach und nach durch Filme, Fotografien, Kunstwerke und Dokumente die Geschichte des Holocaust erlebbar. Der tiefste Punkt des Museums führt in das Jahr 1941, als die Vernichtungslager, wie z. B. Auschwitz, in Betrieb genommen wurden. Danach geht es langsam wieder bergauf – im Museum architektonisch, wie auch in der Geschichte. In den letzten Ausstellungsräumen wir der Neubeginn des jüdischen Lebens in Europa, besonders aber in Israel, gezeigt, was durch die letzte Station des Museums nachhaltig betont wird: Der Besucher tritt nach dem Gang durch die unterirdische Geschichte wieder in das Tageslicht und sieht von einer Terrasse auf Jerusalem.
Mir hat die Symbolik dieser Architektur sehr imponiert, trotzdem hatte ich auf diesem Aussichtspunkt ein zwiespältiges Gefühl. Wenige Tage zuvor hatten wir erst die nahegelegene Mauer nach Bethlehem passiert.

Vielen Dank nochmals an Tamar, da wir durch ihre Führung das Denkmal, wie es in Jes heißt, erst verstehen lernten.