Dienstag, 29. Mai 2012

Abraham und Isaak


Israel hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Im Grunde bin ich heute noch nicht fertig damit, die ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Aber hier möchte ich eine kleine Sache ansprechen, die mich persönlich beeindruckt und meine Einstellung verändert hat. Anderen kommen diese Gedanken wahrscheinlich banal vor, trotzdem möchte ich sie kurz ausführen:



Dazu muss ich sagen, dass ich in der Zeit vor der Israel-Exkursion damit beschäftigt war, meinen Praktikumsbericht zum studienbegleitenden Praktikum anzufertigen, in dem man unter anderem eine selbst gehaltene Unterrichtsstunde ausarbeiten soll. Dafür habe ich eine Unterrichtsstunde in der fünften Klasse ausgewählt, die sich mit der Bindung Isaaks beschäftigte. In der Vorbereitung musste ich feststellen, dass dieses Thema völlig kontrovers ausgelegt und diskutiert wird. Ich entschied mich aus verschiedenen Gründen dafür, den Kindern die Bedeutung dieser Bibelstelle zu vermitteln, indem sie die Abkehr von Menschenopfern darstellt. Die Schüler sollten hier eine Besonderheit des abrahamitischen Gottesbildes kennen lernen.

So viel zur Vorgeschichte, die Stunde lief dann auch ganz gut. Interessant war allerdings die Diskussion, die sich im Nachhinein zwischen meiner Betreuungslehrerin und dem Religionslehrer der betreffenden fünften Klasse (der mir die Aufgabe übertragen hat, dieses Thema mit seiner Klasse zu erarbeiten) entsponnen hat. Während ihm der Aspekt des Auf-die-Probe-Stellens gefehlt hat, vertrat sie den Standpunkt, dass das Thema überhaupt nicht für eine fünfte Klasse geeignet sei, und schon gar nicht als Probe. Ich selbst stellte mir daraufhin auch die Frage, ob ich das Stundenkonzept so je wieder anwenden werde, oder ob es nicht ganz pragmatisch einfacher sei, das Thema künftig auszulassen. Die letzte Variante war allerdings auch nicht wirklich zufriedenstellend.



So und jetzt komme ich dazu, inwiefern mich Israel in dieser speziellen Frage weiter gebracht hat. Schon in der Vorbereitung auf mein Referat am Haram es Sarif bin ich wieder über Abraham und Isaak gestolpert. Schließlich soll das in Gen 22 geschilderte Geschehen an diesem Ort im heutigen Jerusalem stattgefunden haben (wirklich plausibel ist das nicht, weil in Gen 22 vom Land Morija die Rede ist, während der Berg als solches einen anderen Namen erhält, nach Verfassen des Buches der Chronik findet dann wohl redaktionell motiviert die Zusammenlegung des Berges mit dem Begriff Morija statt). Trotzdem wird hier aus der Tradition heraus einer der wichtigsten Orte für die abrahamitischen Religionen mit der Bindung Isaaks verbunden.

Bei der Besichtigung der Ausgrabungen von Sepphoris schließlich wieder - die Bindung Isaaks als Mosaik auf dem Boden der uralten Synagoge. Hier nimmt die Szene eine ganz zentrale Stelle ein, bei der es um das Konzept der Verheißung geht.

Auch in christlichen Kirchen, z.B. der Grabeskirche, ist die Szene verewigt - als Bemalung an den Kirchenwänden.



Insgesamt kann ich sagen, dass mir gefühlt jeden Tag Abraham und Isaak über den Weg gelaufen sind, um das mal bildlich auszudrücken. Beim Durchsehen meiner Fotos ist mir das noch einmal deutlich vor Augen geführt worden.



So komme ich wieder zurück auf mein Ausgangsproblem: soll ich die Bindung Isaaks in der fünften Klasse besprechen, und wenn ja, wie?

Israel hat mich folgendes gelehrt: das Thema auszulassen kommt nicht in Frage. Dazu nimmt es einen zu zentralen Standpunkt im Christentum, Judentum und Islam ein. Ob ich dagegen die Stunde wieder genau so aufziehen werde wie beim letzten Mal, werde ich mir noch überlegen. Es bleibt nämlich das Problem, dass es keine einheitliche Meinung zur Bedeutung von Gen 22 gibt, dagegen viele widersprüchliche Interpretationen. Vielleicht bietet es sich ja an, die Szene auch einmal aus der Sicht anderer abrahamitischer Religionen zu beleuchten und dann kann ich meine Fotos von der Synagoge in Sepphoris, dem Felsendom und auch der Grabeskirche heraus holen und den Schülern erklären, warum sie mich so sehr beeindruckt haben.

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