Donnerstag, 3. Mai 2012

Grabeskirche


Die Grabeskirche in Jerusalem zählte zu den Orten, auf die ich mich am meisten während unserer Reise durchs Heilige Land gefreut habe. Die Tatsache, dass der Großteil der Forschung es zumindest nicht für unwahrscheinlich hält, dass sich in dieser Kirche tatsächlich die Orte von Jesu Tod und Auferstehung befinden, machte sie für mich nur um so interessanter.
Eines gleich vorweg: Wer sich erhofft eine bildliche Vorstellung zu bekommen, was hier im April vor rund 2000 Jahren außerhalb der Stadtmauern passiert sein soll, der sei auf das Gartengrab nördlich des Damaskustores verwiesen, wo anglikanische Christen das Grab Jesu inmitten einer beschaulichen Gartenanlage verehren. Die Grabeskirche dagegen liegt heute mitten in der Altstadt umgeben von zahlreichen belebten Gassen, in denen sich der Besucher nach Lust und Laune mit Souvenirs zudecken kann. Die vielen prunkvollen Altäre, Kronleuchter und Ikonen im Innern der Kirche erschweren es hier einen Eindruck von den damaligen Verhältnissen zu bekommen.

Unsere Reisegruppe besuchte die Grabeskirche gleich mehrmals, zweimal davon nachmittags. Aufgrund der Pilgermassen teilten wir uns dabei in Kleingruppen auf. Nebenbei bemerkt sollte man als Besucher der Kirche im Ausfahren von Ellbogen geübt sein.
Gleich beim Eintreten fällt der Salbungsstein ins Auge, auf dem Jesu Leichnam für das Begräbnis einbalsamiert worden sein soll. Mir persönlich waren die Pilger befremdlich, die den Stein z.T. unentwegt küssten und daran mit der Hand oder Stofffetzen so fest rubbelten, als wollten sie eine Wunderheilung herbeizwingen. Mir gings nach Berühren des Steins jedoch wie eh und je und so ging es für mich gleich weiter zum Golgota. Rechts vom Eingang Richtung Osten befindet sich über der sogenannten Adamskapelle der Kalvarienberg, wo sich der griechisch-orthodoxe Kreuzigungsaltar und der Stabat-Mater- und Kreuzannagelungsaltar der Katholiken befindet. Durch eine Glasscheibe kann man noch die Überreste des Felsens sehen, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Hier eine andächtige Minute zu finden, ist allerdings wegen des großen Andrangs alles andere als leicht.
Eher ernüchternd wirkte auf mich dagegen der sogenannte Omphalos, der Nabel der Welt, inmitten des griechisch-orthodoxen Katholikons. Fast gleich sieht der Opferstock direkt daneben aus und wäre da nicht dieses Pilgergrüppchen gewesen, das eines der beiden Gebilde mit ehrfurchtsvollen Küssen bedeckt hätte, so wüsste ich wohl bis heute nicht um die Identität des Omphalos.  
Im Osten der Kirche befindet sich schließlich das Heilige Grab unter einer mehr oder weniger - in diesem Fall weniger -  kunstvoll ausgearbeiteten Kuppel. Das Heilige Grab selbst ist im Stil eines gewöhnungsbedürftigen Kiosks gestaltet und wird durch Stahlstützen vor dem Einsturz bewahrt. Die nicht vorankommenden Renovierungsarbeiten haben ihre Ursache in der schwierigen ökumenischen Situation der Grabeskirche. Die Grabeskirche beherbergt nämlich Katholiken, Griechisch-orthodoxe, Kopten, Syrer und Armenier unter ihrem Dach. Auf ihrem Dach dagegen leben äthiopische Mönche in ärmlichen Verhältnissen. Die minuziöse Aufteilung der Kirche unter den verschiedenen Konfessionen zählte für mich ebenfalls zu den faszinierenden Tatsachen. Dass es den Mönchen allerdings selbst bei einem der größten Heiligtümer der Christenheit nicht gelingt ohne Reibungen und Besitzansprüche miteinander auszukommen, hat mich für die ökumenische Gesamtsituation auf der Welt nicht gerade positiv gestimmt. Damit verließ ich die Grabeskirche mit gemischten Gefühlen.

Einen ganz anderen Eindruck bekommt man dagegen, wenn man die Kirche frühmorgens besucht. Dann ist die Kirche nämlich fast leer und man kann zu einer inneren Andacht gelangen, die für diesen Ort angemessen erscheint. Zweimal bot sich uns die Gelegenheit direkt am Heiligen Grab Gottesdienst zu feiern, was für mich ein ganz besonderes Erlebnis war. Dank des Muezzins war das Aufstehen um 04:00 Uhr auch kein Problem und ein morgendlicher Spaziergang durch die leeren Straßen Jerusalems bei Sonnenaufgang machte die Müdigkeit auch schon fast wieder wett… aber nur fast.

Alles in allem war die Reise ins Heilige Land aufgrund des vollen, wenn auch anstrengenden Programms und dem guten Zusammenhalt in unserer Gruppe sehr bereichernd. Israel hat mich bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen!

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