Die Grabeskirche
in Jerusalem zählte zu den Orten, auf die ich mich am meisten während unserer
Reise durchs Heilige Land gefreut habe. Die Tatsache, dass der Großteil der Forschung
es zumindest nicht für unwahrscheinlich hält, dass sich in dieser Kirche
tatsächlich die Orte von Jesu Tod und Auferstehung befinden, machte sie für
mich nur um so interessanter.
Eines gleich vorweg: Wer sich erhofft eine
bildliche Vorstellung zu bekommen, was hier im April vor rund 2000 Jahren
außerhalb der Stadtmauern passiert sein soll, der sei auf das Gartengrab
nördlich des Damaskustores verwiesen, wo anglikanische Christen das Grab Jesu inmitten
einer beschaulichen Gartenanlage verehren. Die Grabeskirche dagegen liegt heute
mitten in der Altstadt umgeben von zahlreichen belebten Gassen, in denen sich
der Besucher nach Lust und Laune mit Souvenirs zudecken kann. Die vielen
prunkvollen Altäre, Kronleuchter und Ikonen im Innern der Kirche erschweren es
hier einen Eindruck von den damaligen Verhältnissen zu bekommen.
Unsere
Reisegruppe besuchte die Grabeskirche gleich mehrmals, zweimal davon
nachmittags. Aufgrund der Pilgermassen teilten wir uns dabei in Kleingruppen
auf. Nebenbei bemerkt sollte man als Besucher der Kirche im Ausfahren von
Ellbogen geübt sein.
Gleich beim
Eintreten fällt der Salbungsstein ins Auge, auf dem Jesu Leichnam für das Begräbnis
einbalsamiert worden sein soll. Mir persönlich waren die Pilger befremdlich,
die den Stein z.T. unentwegt küssten und daran mit der Hand oder Stofffetzen so
fest rubbelten, als wollten sie eine Wunderheilung herbeizwingen. Mir gings
nach Berühren des Steins jedoch wie eh und je und so ging es für mich gleich
weiter zum Golgota. Rechts vom Eingang Richtung Osten befindet sich über der
sogenannten Adamskapelle der Kalvarienberg, wo sich der griechisch-orthodoxe
Kreuzigungsaltar und der Stabat-Mater- und Kreuzannagelungsaltar der Katholiken
befindet. Durch eine Glasscheibe kann man noch die Überreste des Felsens sehen,
auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Hier eine andächtige Minute zu finden,
ist allerdings wegen des großen Andrangs alles andere als leicht.
Eher
ernüchternd wirkte auf mich dagegen der sogenannte Omphalos, der Nabel der Welt,
inmitten des griechisch-orthodoxen Katholikons. Fast gleich sieht der
Opferstock direkt daneben aus und wäre da nicht dieses Pilgergrüppchen gewesen,
das eines der beiden Gebilde mit ehrfurchtsvollen Küssen bedeckt hätte, so wüsste
ich wohl bis heute nicht um die Identität des Omphalos.
Im Osten der
Kirche befindet sich schließlich das Heilige Grab unter einer mehr oder weniger
- in diesem Fall weniger - kunstvoll
ausgearbeiteten Kuppel. Das Heilige Grab selbst ist im Stil eines
gewöhnungsbedürftigen Kiosks gestaltet und wird durch Stahlstützen vor dem Einsturz
bewahrt. Die nicht vorankommenden Renovierungsarbeiten haben ihre Ursache in
der schwierigen ökumenischen Situation der Grabeskirche. Die Grabeskirche
beherbergt nämlich Katholiken, Griechisch-orthodoxe, Kopten, Syrer und Armenier
unter ihrem Dach. Auf ihrem Dach dagegen leben äthiopische Mönche in ärmlichen
Verhältnissen. Die minuziöse Aufteilung der Kirche unter den verschiedenen
Konfessionen zählte für mich ebenfalls zu den faszinierenden Tatsachen. Dass es
den Mönchen allerdings selbst bei einem der größten Heiligtümer der
Christenheit nicht gelingt ohne Reibungen und Besitzansprüche miteinander auszukommen,
hat mich für die ökumenische Gesamtsituation auf der Welt nicht gerade positiv
gestimmt. Damit verließ ich die Grabeskirche mit gemischten Gefühlen.
Einen ganz
anderen Eindruck bekommt man dagegen, wenn man die Kirche frühmorgens besucht.
Dann ist die Kirche nämlich fast leer und man kann zu einer inneren Andacht
gelangen, die für diesen Ort angemessen erscheint. Zweimal bot sich uns die
Gelegenheit direkt am Heiligen Grab Gottesdienst zu feiern, was für mich ein
ganz besonderes Erlebnis war. Dank des Muezzins war das Aufstehen um 04:00 Uhr
auch kein Problem und ein morgendlicher Spaziergang durch die leeren Straßen
Jerusalems bei Sonnenaufgang machte die Müdigkeit auch schon fast wieder wett…
aber nur fast.
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