Mittwoch, 2. Mai 2012

Megiddo

Am zweiten Tag der Exkursion fuhren wir, nachdem wir Caesarea Maritima besichtigt hatten, nach Megiddo.
Zugegebenermaßen hatte ich mich vor dem Vorbereitungssamstag nie wirklich mit Ausgrabungen aus alttestamentlicher Zeit befasst und konnte auch mit Megiddo nicht viel anfangen (mit Armageddon aus der Offenbarung des Johannes hatte ich nichts Reales in Verbindung gebracht). So konfrontierte mich der Vorbereitungstag mit Vier- und Sechskammertoren, den Ställen des Salomo, verschiedensten Ausgrabungsmethoden, Tells... Allerdings blieb mir einiges davon unklar, beispielsweise, wie man in einem Stadttor Gericht halten kann.
War Caesarea noch mit Ausgrabungen vergleichbar, die ich bisher gesehen hatte (beispielsweise in Rom), hob sich Megiddo allein schon durch seine Lage davon ab: Die Ausgrabungsstätte liegt nämlich auf einem Tell, also einem Ruinenhügel, und es war meine erste Begegnung mit einem solchen. Nach einer kurzen theoretischen Einführung in den Gebäuden des Nationalparks begaben wir uns auf die Ausgrabungsstätte.
Über eine Rampe erreichten wir das Kammertor. Hier wurde mir klar, dass ich von der falschen Dimension ausgegangen war und es wesentlich größer war, als ich es mir gedanklich konstruiert hatte. Weiter ging es zum Abhang von Schumacher's Trench, der ein Nachlass Gottlieb Schumachers ist, der hier ein Mal quer durch den Tell gegraben hat, und zeigt, dass Ausgrabung eben auch Vernichtung von Schichten bedeuten kann.
Zum zweiten Mal merkte ich an diesem Tag, dass ich in der falschen Dimension gedacht hatte, als wir vor den Ställen Salomos - oder dem was manche dafür halten - standen. Dieses Mal war das Größenverhältnis allerdings umgekehrt: Das, was davon übrig ist, ist deutlich kleiner als von mir gedacht. Wie darin etwa 1000 Pferde und die dazugehörigen Streitwagen (wie mein Reiseführer behauptet) unterkommen könnten, ist mir schleierhaft. Verlassen haben wir das Tell durch das Wasserversorgungssystem: Zuerst führt eine Treppe in mehrere Dutzend Meter Tiefe, anschließend erreicht man durch einen Tunnel die Quelle, die außerhalb der Stadtmauern liegt.
Offen bleibt für mich weiterhin die Frage (obwohl ich die Theorie kenne) wie ein Tell entsteht. Vorstellbar ist es für mich nicht, dass eine Stadt mehrmals zerstört wird, immer wieder auf den Ruinen aufgebaut wird und so ein Siedlungshügel entsteht.
Die Nachwirkungen der Besichtigung Megiddos zeigten sich erst kürzlich: zum einen an einem Wochenende, als ich mich noch einmal durch die Folien von Florian Lippke vom Vorbereitungssamstag klickte, und erkannte, um wie viel verständlicher nun vieles davon für mich geworden war. Zum anderen, als in der darauffolgenden Woche in einer alttestamentlichen Vorlesung anhand von Rut 4 das Gerichtswesen am Tor erläutert wurde. Die Erkenntnisse der Exkursion sind im alltäglichen Vorlesungsbetrieb angekommen, was die Exkursion wirklich wertvoll macht und für mich zeigt, dass Theorie ohne Anschauung blass bleibt und Anschauung ohne Theorie nicht funktioniert.

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