Donnerstag, 26. April 2012

Sepphoris

Am dritten Tag unserer Reise sind wir morgens von Tabgha Richtung Nazaret aufgebrochen. Unsere erste Station war jedoch die Ausgrabungsstätte des antiken Sepphoris.

Es war schön zu beobachten, wie sich doch schon am dritten Tag gewisse Reiserituale in unserer Gruppe ausgebreitet haben. Erstmal ankommen... Toilette suchen, Souvenirshop abklappern, ganz wichtig Kaffee nicht vergessen. Dann aber schnell weiter im vollen Tagesprogramm.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Sepphoris hat im Laufe der Geschichte verschiedene Namen erhalten. Die Römer nannten es z.B. zu Ehren des Gottes Zeus und Caesars Diocaesarea. Zippori ist wohl ein geläufigerer Name für die Stadt und geht auf hebräische Traditionen zurück. Heute findet sich nicht weit von den Ausgrabungen ein moderner Ort, der diesen Namen übernommen hat.
Bereits unter römischer Besatzung wird Sepphoris 55 v. Chr. zur Hauptstadt Galiläas ernannt. 37 v. Chr. erobert Herodes der Große die Stadt. Nach dessen Tod bricht eine Revolte der jüdischen Bevölkerung gegen die Römer aus. Die Unruhen werden aber von den Römern niedergeschlagen, die Stadt z.T. verbrannt und die Juden in die Sklaverei verkauft. Während der antirömischen Revolte in den 60er Jahren n. Chr. beteiligen sich die Einwohner Sepphoris nicht am Aufstand, wohl noch unter dem Eindruck der Folgen dieser ersten innerstädtischen Revolte, sodass ihre Stadt von Zerstörungen verschont bleibt. Im 3. Jh. kommt die Stadt wieder unter jüdische Führung. 363 n. Chr. wird die Stadt von einem Erdbeben zerstört, wird aber wieder aufgebaut. In späteren Zeiten besetzen Kreuzfahrer die Stadt. Die Stadt kommt außerdem unter arabische Herrschaft.

Die Ausgrabungen von Sepphoris sind v.a. für ihre Mosaiken berühmt. Am Cardo, einer typischen römischen Straße, findet sich das Nil-Haus. In diesem Haus finden sich umfangreiche Mosaiken, welche die ägyptischen Feierlichkeiten zur Nilschwemme darstellen. Am Gipfel des Hügels von Sepphoris befindet sich eine römische Villa aus dem 3. Jh. n. Chr. Hier kann man ein Mosaik sehen, das das Leben des Dionysos darstellt. Außerdem gibt es ein Bild einer Frau, welche man gerne als "Mona Lisa von Galiläa" beschreibt. Eine weiteres und gut erhaltenes Mosaik findet sich in der Synagoge von Sephhoris. In der Mitte dieses Mosaiks ist ein Zodiak abgebildet, zeigt also die Sternkreiszeichen. Ansonsten sind v.a. alttestamentliche Szenen dargestellt.
Neben einem römischen Theater und einer Kreuzfahrerfestung, können in Sepphoris Wohnsiedlungen aus verschiedenen Perioden besichtigt werden, sowie ein Friedhof und ein antikes Wasserversorgungssystem.

Sicherlich sind die Mosaiken beeindruckende künstlerische Erzeugnisse. Für uns als Theologen dürfte aber ein anderer Sachverhalt von höherem Interesse gewesen sein. Sepphoris war eine florierende Stadt mit einem reichen kulturellen und religiösen Leben. Es war Hauptstadt und ein Zentrum der jüdischen Religion.  Römische, hellenistische und jüdische Lebensweisen trafen in dieser Stadt aufeinander. Die Nähe zu Nazaret ist jetzt spannend. Nazaret liegt nur etwa 5 Kilometer von Sepphoris entfernt. So stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf das Bild des historischen Jesus hat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Jesus, der Nazarener, der aus einem kleinen, ländlichlichen Ort kam, keinen Kontakt zu dieser "Großstadt" hatte.

So weit, so gut.

Israel ist definitiv eine Reise wert. Für mich persönlich war es weniger beeindruckend die heiligen Orte im Einzelnen zu sehen, sofern es denn die Pilgermassen zuließen, als vielmehr ein Gespür für dieses Land zu bekommen. Man erhält z.B. einen neuen Zugangsweg, ein tieferes Verständnis für das, was in der Bibel beschrieben ist, wenn man mit den Örtlichkeiten vertraut ist.
Der Erfolg der Exkursion ist sicherlich der guten Organisation geschuldet, aber auch einer wunderbaren Gruppe. Es ist selten, dass so eine große Gruppe so gut miteinander auskommt.
Insofern vielen Dank an alle für ein unvergessliches Erlebnis!



Dienstag, 24. April 2012

Yad Vashem


Yad Vashem – was für ein beeindruckender Ort!
Als wir am zehnten Tag unserer Reise und am Ende eines sehr anstrengenden Tages in Yad Vashem ankamen, konnte ich mich kaum noch konzentrieren, doch die weltweit größte Holocaustgedenkstätte zog mich sofort in ihren Bann.
Bereits am Tag zuvor hatte uns Tamar eine kleine Einführung zu dem Museum gegeben und uns u. a. die Entstehungsgeschichte und den Namen des Ortes erklärt. Yad Vashem (hebr. „Denkmal und Name“) leitet sich aus Jes 65,5 ab: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals getilgt wird.“

Die gesamte Gedenkstätte liegt auf dem Herzl-Berg und nimmt durch verschiedene Denkmäler und Gebäude ein sehr weitläufiges Areal von 4200m² ein, im Gegensatz zum eigentlichen Museum, das unterirdisch liegt. Auf dem äußeren Gelände haben mich besonders die Bäume/die Allee für die Gerechten unter den Völkern beeindruckt. Im Grunde ist es ein Mischwald, der mittlerweile den ganzen Berg bedeckt. Jeder Baum hat ein Namensschild, der den Namen (manchmal auch von ganzen Familien) eines nichtjüdischen „Gerechten“ trägt, der einen Juden während des Nationalsozialismus gerettet hat. Genauso erwähnenswert sind jedoch die „Halle der Erinnerung“ das „Denkmal für die Kinder“ oder das „Tal der Gemeinden“.
Das von außen nicht sichtbare Museum zeichnet chronologisch die Geschichte der Juden in Europa nach. Am Anfang der Ausstellung wird eine Art Kunstfilm gezeigt, der die Vielfalt des jüdischen Lebens vor dem Holocaust zeigen soll. Der Zuschauer wendet sich daraufhin symbolisch, aber auch physisch davon ab und beginnt den Weg in das Tal des Todes. Das einzige, was der Besucher daraufhin sieht, ist ein langer gerader Gang (180m), der in der Mitte seinen tiefsten Punkt hat und am Ende wieder hinauf an die Erdoberfläche führt – wie ein Pfeil, der sich durch den Berg gebohrt hat. Die einzelnen Ausstellungsräume, die links und rechts des Weges liegen, müssen hintereinander durchlaufen werden, so wird nach und nach durch Filme, Fotografien, Kunstwerke und Dokumente die Geschichte des Holocaust erlebbar. Der tiefste Punkt des Museums führt in das Jahr 1941, als die Vernichtungslager, wie z. B. Auschwitz, in Betrieb genommen wurden. Danach geht es langsam wieder bergauf – im Museum architektonisch, wie auch in der Geschichte. In den letzten Ausstellungsräumen wir der Neubeginn des jüdischen Lebens in Europa, besonders aber in Israel, gezeigt, was durch die letzte Station des Museums nachhaltig betont wird: Der Besucher tritt nach dem Gang durch die unterirdische Geschichte wieder in das Tageslicht und sieht von einer Terrasse auf Jerusalem.
Mir hat die Symbolik dieser Architektur sehr imponiert, trotzdem hatte ich auf diesem Aussichtspunkt ein zwiespältiges Gefühl. Wenige Tage zuvor hatten wir erst die nahegelegene Mauer nach Bethlehem passiert.

Vielen Dank nochmals an Tamar, da wir durch ihre Führung das Denkmal, wie es in Jes heißt, erst verstehen lernten.

Sonntag, 15. April 2012

Studieren mal anders

Das Erlebnis, welches mich schon während unserer Reise durch Israel und auch seit meiner Rückkehr nach Deutschland am meisten beeindruckt und beschäftigt hat, war der Tagesausflug nach Bethlehem.
Wir hatten bereits auf unserem Weg vom Norden Israels in Richtung Jerusalem palästinensisch besiedeltes Gebiet mit dem Bus durchreist und dabei bereits einen Eindruck von der meterhohen Mauer, den Grenzposten und vor allem dem hinter der Mauer befindlichen Gebiet und den Menschen darin - beispielsweise in Jericho - erhalten. Noch viel extremer jedoch erschien mir der Kontrast dann auf der Fahrt nach Bethlehem. Man fuhr ungefähr 10 km aus der Stadt Jerusalem hinaus, passierte eine - während unseres Aufenthalts ausnahmsweise - überwiegend grünende Landschaft, wo an den Hängen Wein angebaut wurde, und nach kurzer Zeit wurde der Bus langsamer. Man schaute seitlich aus dem Busfenster und sah diese gigantische Mauer vor sich aufragen. Das war dann wohl die Zufahrt nach Bethlehem. Als deutsche Reisegruppe konnten wir die Grenze recht zügig passieren und fanden uns sogleich mitten in Bethlehem wieder.
Unser erster Halt war die Bethlehem University, eine katholische Uni und zur Zeit ihrer Gründung 1973 die erste Hochschule im Westjordanland. An ihr können Jugendliche aller Glaubensrichtungen studieren. Wir hatten dort u.a. ein Gespräch mit 5 Studierenden - soweit ich mich erinnere, 3 Christen und 2 Muslime; 4 Mädchen, 1 Junge -, die ganz offen und ausführlich auf all unsere Fragen geantwortet haben. "Wie funktioniert das, wenn Katholiken und Muslime miteinander studieren? Wie macht ihr das mit dem Beten?" - Ganz einfach: Es gibt getrennte Gebetsräume für die Religionen und ansonsten macht man alles gemeinsam. "Und wo wohnt ihr?" - Die meisten leben in Bethlehem bei ihren Eltern, ein Student unserer Gruppe lebt in Jerusalem. Er muss jeden Tag 2x die Grenze passieren - das geht manchmal recht zügig, machmal dauert das aber auch recht lang je nach Gründlichkeit der israelischen Kontrolle. Einreisen ins Palästinensergebiet ist generell leichter als Ausreisen. Die Studierenden erzählten dann, dass nur einige überhaupt nach Jerusalem reisen dürfen. Je nachdem, ob man Israeli oder Palästinenser oder israelischer Palästinenser oder jemand ganz anderes ist, und je nachdem, welche Eintragungen man im Pass hat, darf man die Grenze passieren. Zwei der Mädchen berichteten, dass sie noch nie in Jerusalem waren, obwohl es quasi in Sichtweite liegt. "Gibt es dann andere Möglichkeiten, wie man ausreisen kann?" - Ja, beispielsweise über Jordanien oder einen anderen arabischen Staat. Eine Studentin aus der Gruppe war schon einmal für einige Zeit in Amerika.
Wir wurden im Anschluss an diese "theoretische" Einführung in die BU noch durch das schön gestaltete Campusgelände geführt, wo zumindest ich mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt habe, und haben die Bibliothek und eine Ausstellung besucht.
Nach unserem Besuch an der BU haben wir uns in Kleingruppen in den Basar von Bethlehem gestürzt. Man merkte hier schnell, dass man sich in einer arabisch geprägten Stadt befand. Sehr positiv fiel mir auf, dass die Händler nicht so aufdringlich wie beispielsweise in Jerusalem waren. Wir schlängelten uns also unseren Weg durch allerlei Obst-, Backwaren-, Kleidungs- und Gebrauchswarenständen, die kunterbunt verteilt mit einem mehr oder weniger breitem Angebot auf der Straße herumstanden, vorbei am Fleischmarkt, wo jeder Metzger seine besten Stücke (und damit sind wirklich ganze Stücke aller möglichen Tiere gemeint) im Schaufenster präsentierte, in Richtung der Geburtstkirche. Während meine Freunde in diversen Souvenirläden verschwanden, zog ich es vor, mit dem Besitzer eines Geschäfts ein wenig ins Gespräch zu kommen. "Oh, you're from Munich? I've seen the movie a few days ago!" Ich kannte den Film nicht, aber wir hatten einen Gesprächseinstieg gefunden. Ich fragte ihn, wie die Geschäfte liefen. Er erzählte, dass es von Januar bis März immer sehr schwierig sei, weil wenige Touristen in dieser Zeit nach Bethlehem kämen. Und dass tendenziell eh weniger Touristen kämen, weil vielen Reiseorganisationen der Aufwand mit der Grenzkontrolle zu groß sei und sie Bethlehem samt Geburtstkirche deshalb ganz von ihrem Reiseplan strichen. Und er sagte, dass das Leben als kleiner Ladenbesitzer zum Teil sehr hart sei, weil die großen Geschäfte Verträge mit den Reiseorganisationen hätten und diese ihre Gruppen dann vornehmlich in die jeweiligen Läden führen würden. Nachdem meine Freunde ihren Einkauf beendet hatten, fragte ich meinen Gesprächspartner noch, ob er uns ein Restaurant fürs Mittagessen empfehlen könne. "Yes, of course, I'll bring you to the restaurant of my friend. Is it ok for you?" Wir willigten ein und hatten letztendlich ein sehr leckeres und ausgiebiges Mittagessen mit einer sehr herzlichen Bewirtung.
Und das war mein prägendster Eindruck von Bethlehem: Die Leute waren so unglaublich freundlich. Deshalb verbinde ich mit dem Tag dort ein durchweg positives Gefühl und empfehle jedem, mindestens einen Tag seiner Israel-Reise in Bethlehem zu verbringen.

Programmhinweis

Während offensichtlich die meisten TeilnehmerInnen noch an den letzten Sätzen ihrer Beiträge für diesen Blog feilen, will ich auf eine Sendung hinweisen, die gestern Abend auf Arte lief: Biblische Detektivgeschichten. Es geht um Ursprung und Geschichte Israels und seines Gottesglaubens - auf der Grundlage von Archäologie und kritischer Auswertung der biblischen Überlieferung. 

Die Sendung bringt viele Bilder, die uns von unserer Exkursion bekannt sind, Sechskammertore spielen eine Rolle (die "Ställe Salomos" kommen allerdings nicht vor), die Dan-Stele wird besprochen und die Ausgrabungen in der Davidsstadt, Jodi Magness hat einen kurzen Auftritt. Es wird ein Bild der kontroversen Debatten um die Deutung der Funde vermittelt, wenn auch insgesamt die Richtung der "Jerusalemer Schule" stärker zum Tragen kommt als diejenige der Archäologen von Tel Aviv (das davidisch-salomonische Großreich wird mithilfe der Sechskammertore rekonstruiert). 


Alles in allem: eine sehenswerte Sendung nicht nur für Israel-Reisende. Der Link zur Mediathek von
Arte findet sich hier. Ob das Video länger als sieben Tage verfügbar ist, weiß ich nicht. 

Mittwoch, 4. April 2012

Das fliegende Klassenzimmer

"Das fliegende Klassenzimmer"... Spätestens am Flughafen in München wurde mir bewusst, dass 36 Leute für so eine Fahrt ganz schön viel sind.
Und überhaupt: Wie soll ich denn meine eigenen, fast einjährigen, Erfahrungen mit diesem so rauhen und faszinierenden Land in 12 Tage verpacken und einer ganzen Reisegruppe ermöglichen?! Viel Hin und Her bei der Organisation, der eine oder andere "Try and Error"... Aber als ich am Abend des Abflug-Tages in Tel Aviv am Strand stand, nachdem ich im Laden einer wenig gesprächigen Dame versucht hatte, mein Handyguthaben aufzustocken, brach die Erkenntnis durch: Du bist wieder da! Und das mit einer Truppe von Studierenden und Lehrenden der Theologie, die mir im Laufe der Tage in mancher Hinsicht ans Herz wachsen sollte.
Die erste Diskussion mit dem Busfahrer am nächsten Tag ließ mich dann auch inhaltlich ankommen: [in gebrochenem Deutsch] "Ich - schöne Straße - Meggido." - "I don't want the beautiful way, I want the short way..." Mr. Salim hat einige Tage gebraucht, um das Tempo einer deutschen Studienfahrt zu begreifen. Ganz gutgeheißen hat er es bis zum Schluss nicht. Zu unserer israelischen Begleiterin Tamar hat er jedenfalls zum Schluss gesagt: "Sorg' dafür, dass die das nächste Mal nicht mehr so ein Mörder-Programm machen!" Für das Durchhaltevermögen der Studenten bis zum letzten Tag bin ich auch wirklich sehr dankbar. Schlafen wird in der Regel ja auch überschätzt, oder?
Für mich selbst war diese Reise die erste Begegnung mit Israel/Palästina seit meiner Rückkehr nach Deutschland nach dem Theologischen Studienjahr 2009/2010, in dem ich Assistentin gewesen war. Und das Land hat nichts von seiner Faszination verloren - die zu einem Teil wohl auch gerade darin besteht, dass es fast nicht zu vermeiden ist, an einem Tag vielfach völlig diametral entgegengesetzte Eindrücke zu sammeln. Wie viele Welten leben dort mit-, neben-, über-, leider auch gegeneinander!
Mein persönliches Highlight war die seit einem Jahr wiedereröffnete archäologische Abteilung des Israel-Museums in Jerusalem, die ich noch nicht kannte. Großartig!
Und am Grab von P. Lagrange in der École Biblique mit Exegeten einen Gottesdienst feiern zu können, hatte auch seinen eigenen Reiz.
Viel wäre noch zu sagen, aber ich will den anderen Autoren dieses Blogs nicht zu viel wegnehmen. Ihnen und Euch allen an dieser Stelle noch einmal von Herzen Dank für diese wunderbare Fahrt, das Miteinander, die Motivation und die Freude an der Sache, die bei allen zu greifen war!
Gudrun Nassauer