Samstag, 23. Juni 2012

"Shabbat Shalom!"

Mit diesen Worten heißen die Juden am Freitagabend das anbrechende wöchentliche Fest willkommen. Für mich war der Gottesdienst zu Shabbat in der jüdischen Gemeinde Kol Haneshama ein sehr schönes Erlebnis. Nach einem langen „Spaziergang“ von École Biblique kamen wir endlich zu einer an sich unscheinbaren Synagoge. Dort wurden wir von den Mitgliedern der progressiven jüdischen Gemeinde sehr herzlich empfangen und nahmen gleich für uns reservierte Plätze ein, denn der Gottesdienst fing in wenigen Sekunden an. Jeder von uns bekam ein Buch mit dem Ablauf des Gottesdienstes. Zum hebräischen Text gab es parallel eine lateinische Transkription und eine Übersetzung auf Englisch, und so konnten wir alles gut verfolgen. Der überwiegende Teil des Gottesdienstes wurde von der Gemeinde gesungen. Der Vorsteher hat den Ton und den Rhythmus angegeben und alle haben aktiv mitgesungen. Durch die schönen Melodien wurden wir alle gleich mitgerissen. Ich hatte den Eindruck, dass sich die ganze Synagoge im Rhythmus der Psalmenlieder bewegt. Nicht nur an den Gesängen, sondern auch an den schmunzelnden Gesichtern und Bewegungen der Leute spürte man deutlich, dass sie eine tiefe Freude am Shabbat haben. Ich denke, dass viele von unseren katholischen Gemeinden sich von dieser Art des Gotteslobes (auch im sonntäglichen Gottesdienst) inspirieren lassen sollten. Auch die Verabschiedung nach dem Abschluss des Gottesdienstes war sehr schön – mit einem von Herzen kommenden „Shabbat Shalom“! 

Während unserer Reise durch Israel erlebten wir aber auch hautnah, wie zerbrechlich der „Shalom“ ist. Das ganze Heilige Land ist ein Land vieler Kontraste und Umbrüche, ein Land, das bis heute keinen Frieden gefunden hat. „Erbittet „Shalom“ für Jerusalem! Ruhe sollen die haben, die dich lieben!“ (Ps  122,6) Wie aktuell ist der Aufruf des Psalmisten gerade in der heutigen Zeit! 

Am gleichen Tag, an dem wir am Abend den Gottesdienst zu Shabbat in der Gemeinde Kol Haneshama feierten, mussten wir die Jerusalemer Altstadt umgehen, weil gerade in der Nähe vom Damaskustor der „Globale Marsch nach Jerusalem“ endete. Eine demonstrative Aktion, die an den palästinensischen Tag des Bodens erinnert und zeigen soll, dass die palästinensischen Menschen immer an ihrem Land festhalten und dass die palästinensische Frage eine globale Frage ist.  

Eine große Bereicherung für mich war die Begegnung mit fünf palästinensischen Studenten an der Bethlehem University (s. Beitrag von Sonja Prause). In einem sehr offenen und interessanten Gespräch mit ihnen gewannen wir viele neue Einsichten zur andauernden Spannung zwischen Palästinensern und Israelis. Mit ihrer jugendlichen Begeisterung und großer Sehnsucht nach Frieden setzen sich die Studenten der „Bethlehem University“ für eine bessere und friedliche Zukunft ihres Landes ein. Gibt es eine Chance, dass der Konflikt im Nahen Osten irgendwann ein Ende haben wird? Die große Mauer (viel höher als die ehemalige Berliner Mauer), die das autonome palästinensische Gebiet um Bethlehem von der Stadt Jerusalem trennt und immer weiter gebaut wird, beantwortet leider diese Frage mit klarem NEIN.

Als wir unsere letzte heilige Messe in Jerusalem an der VI. Station der Via Dolorosa feierten, bat uns die für diesen Ort zuständige Schwester der Gemeinschaft der kleinen Schwestern Jesu um Gebet für die Christen im Heiligen Land. Bewegt hat sie uns erzählt, dass die Zahl der im Heiligen Land lebenden Christen wegen der schwierigen religiösen und politischen Lage in den letzten 40 Jahren drastisch gesunken ist. 

Auch unter den Christen selbst ist der Friede des Auferstandenen nicht immer spürbar. Es genügt nur einen kurzen Blick in die Situation der heiligsten Stätte der Christen – der Grabeskirche - zu werfen (mehr zu diesem Thema s. Beitrag von Johannes Huber). Draußen vor dem Eingang in die Basilika spielt zur Abwechslung ein kleiner palästinensischer Junge mit einem Spielzeug in Form eines Maschinengewehrs. Die besser bewaffneten israelischen Soldaten, die in der Nähe stehen, lassen sich aber von ihm nicht stören…

„Shabbat Shalom“? Für mich war der Friede des auferstandenen Christus vor allem in der Gemeinschaft spürbar, die ganz spontan während unserer Israelreise gewachsen ist. Dazu gehören die gemeinsamen Eucharistiefeiern am abendlichen Seeufer von Gennesaret, die stillen Momente am frühen Morgen in der Grabeskirche, die gemeinsame Musik, die geteilte Freude oder auch Schmerz, der unermüdliche Einsatz von jedem Einzelnen für das gemeinsame Ziel… Und deshalb einen ganz herzlichen Dank an Sie/Euch alle, denn diese Reise war letztlich nicht nur eine wissenschaftliche Exkursion, sondern eine wirkliche Pilgerreise durch das Heilige Land, eine Pilgerreise zu sich selbst, zueinander, zur Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, der unser Friede ist! Shabbat Shalom!

Sonntag, 17. Juni 2012


Wanderung am Seligpreisungsberg

Wenn ich an unsere Israelexkursion zurückdenke, fallen mir spontan sehr viele Erlebnisse ein, über die ich gerne berichten würde. Aber um nicht alles vorwegzunehmen, schildere ich nun eines meiner viel so empfunden Highlights: unsere kleine Wanderung vom Seligpreisungsberg hinab nach Tabga zu unserer Herberge Bet Noah. Da wir an diesem Tag wirklich ein sehr dichtes Programm hatten, war dieser Programmpunkt fakultativ. Wir besichtigten Tel Dan, Caesarea Philippi (Banjas), den Aussichtspunkt Har Bental, Betsaida, Kafarnaum und schließlich noch das Jesus Boot, bevor unser Bus die Türen am Seligpreisungsberg öffnete. Besonders Mr. Salim, unser Busfahrer, dürfte sehr erstaunt gewesen sein, dass sich nach diesem Programm doch fast 2/3 der Teilnehmer hochmotiviert auf den Weg machten. Jeder, der dabei war, bereute diese Entscheidung zu keiner Minute. Der kleine Wanderweg schlängelte sich durch Raps- und Wiesenfelder ins Tal. Am Fuße des Berges lag der ruhige See Genezareth und von Westen senkte sich die Sonne herab. Dabei konnten wir die Ruhe genießen, uns von zahlreichen Pilgerscharen erholen und die vielen Eindrücken, die wir über den Tag gesammelt haben, Revue passieren lassen. Doch wer glaubt, dass unser Besichtigungsprogramm schon vorbei war, der irrt sich. Wir konnten es selbst nicht glauben, dass uns auf dieser idyllischen Wanderung noch ein theologisch wichtiger Ort unter die Augen kam. Etwa auf halber Strecke lag völlig unscheinbar inmitten der Rapsfelder ein kleiner Platz, an dem wir zwei Steine und einen sehr alten Baum stehen sahen. Auf der Hinterseite einer der beiden Steine, konnte man Reste der Bergpredigt auf Englisch eingeritzt erkennen. Laut dem Benediktiner Bargil Pixner, könnte hier wohl der Ort gewesen sein, an dem Jesus die Bergpredigt verkündigte. Diese Lokalisierung begründet er mit der günstigen Lage und der stimmungsvollen Atmosphäre dieses Platzes. Meines Erachtens ist dies wirklich ein wunderbarer Ort, um der Bergpredigt zu gedenken. Zufrieden und ich muss auch zugeben, schon etwas erschöpft, kamen wir etwa eine Stunde später in unserer Unterkunft in Tabga an. Hier erwartete uns bald ein gemeinsames Mahl, bevor wir den Tag mit einem gemeinsamen Lichtergottesdienst am See abrundeten!

An  dieser Stelle möchte ich mich nun bei allen bedanken, die uns diese Reise ermöglicht und dazu so haben. Besonders betonen möchte ich das Engagement von Frau Nassauer, die unsere Exkursion einfach unvergesslich gestaltet und organisiert hat. Vielen Dank, das kann man finde ich einfach nicht oft genug sagen!!!


Katharina Scheller

Dienstag, 12. Juni 2012

Den Horizont erweitern...


Eine Exkursion ins Heilige Land kann ohne religiöse Erfahrungen kaum gehen. Mir wurde bewusster, dass wir Menschen heilige Orte brauchen, die uns Gott näher bringen. Zweifellos waren viele besuchte Stätten, wie der See von Genezareth, Getsemani, Golgota, und das Heilige Grab solche Orte für mich. Aber in diesem Blog wollte ich nicht darüber schreiben…
„Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Israel ist erstmals in den knapp 60 Jahren ihres Bestehens geschändet worden. /…/ Der Vorsitzende der Gedenkstätte, Avner Schalev, äußerte sich empört über die Schändung: ´Wir sind schockiert und verstört über diesen Ausdruck brennenden Hasses gegen die Zionisten und den Zionismus´, sagte er. Die beispiellose Tat überschreite eine rote Linie. Zugleich deutete er an, dass ultra-orthodoxe Juden für die Tat verantwortlich sein könnten....”
Diese Nachricht erinnerte mich sofort an unseren Besuch von Jad Vaschem, der mir jetzt wieder sehr lebendig vor Augen steht. Beeindruckend fand ich die Qualität der Darstellung: Der Wagon auf der Brücke, der in den Absturz führt; die geschichtliche Darstellung der Massen und der Einzelpersonen; die Kerzenlichte und die Namen der Kinder; die Säulen mit den Ortsnamen der vernichteten Gemeinden… Das ist alles so ausdrucksreich, voll mit Symbolen… Ja, das ist eine hohe Kunst, und für Israel ein Weg, um diese furchtbare Geschichte zu verarbeiten. Jetzt kommt diese Nachricht, und – Dank der Exkursion - ich weiß, worum es hier geht… Aber eigentlich wollte ich auch nicht darüber schreiben.
Für einen großen Gewinn der Exkursion halte ich, dass ich in die religiöse Vielfalt Israels einen tieferen Einblick bekommen habe. Darüber möchte ich schreiben, und die „ultra-orthodoxen Juden“ gehören auch dazu.
Ein großes Lob verdient unsere israelische Reisebegleiterin, die nicht müde wurde uns während der Busfahrten über die verschiedenen Religionen und Absplitterungen aufzuklären. Sie hat ausführlich über das Judentum geredet: Über die liberalen bzw. orthodoxen und auch über die ultra-orthodoxen Juden. Sie hat erzählt, wie sie den Sabbat begeht und auf meine Nachfrage hat sie auch kurz erklärt, warum sie vom Christentum zum Judentum konvertiert ist: Sie hat das Alte Testament immer schon geliebt, und als sie im Rahmen des Studienjahres in Israel war, hat sie das Judentum immer mehr kennengelernt. Sie empfand, dass es sich vielmehr um die Fragen kümmert, wie man praktisch lebt und wie man glücklich wird. Mit der Zeit hat sie auch gemerkt, dass Jesus für sie doch nicht das Zentrum zu sein scheint, auf den man nicht verzichten könnte…
Als wir das Gebiet der Kabbala um Safed durchkreuzten, erzählte sie uns über die jüdische Mystik. Kabbala wurde deswegen das Zentrum dieser Strömung, weil viele Juden sich hier ansiedelten, nachdem sie aus Spanien vertrieben wurden. Nicht weit von Tabgha wohnen die Messianisten. Sie sind Juden, die Jeschua als Messias anerkennen, die Kirche aber nicht. Mit ihren Behauptungen stehen sie in ziemlicher Spannung mit anderen Juden. Im Norden sind wir noch einigen Drusen begegnet. Sie sind leicht zu erkennen, weil sie in schwarz rumlaufen. Das ist eine Gruppe, die sich vom Islam um 1000 abgespalten hat und ihren Glauben geheim hält: mit 16 müssen sich die Jugendlichen entscheiden, ob sie religiös leben werden. Wenn ja, dann werden sie in die Religion eingeführt und dürfen nur innerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft heiraten.
Über den Islam muss ich nicht lange schreiben. Die massiven Konflikte zwischen Juden und Palästinensern spürten wir oft in der Luft. Es ist traurig zu sehen, wie in Israel viel Aggression und Leid in den Religionsunterschieden ihren Grund haben.
Enden möchte ich mein Blogbeitrag mit dem Besuch in Akko: Dort erzählte unsere Reisebegleiterin lange über die Religion Bahai. Sie scheint eine unter den ganz wenigen Religionen zu sein, die auf Harmonie und Friede unter den Religionen setzt. – Angesichts vieler Konflikte im Nahen Osten sollten wir ihre Anliegen würdigen.
Ich bin sehr Dankbar für die vielen Erfahrungen mit diesen verschiedenen Religionen und auch dafür, dass ich mit euch diese Reise erleben durfte. 
Csermák Péter