Erlebnisse kommen und gehen. Bisweilen
werden sie zu wirklichen Erfahrungen. Aber nur selten verwandeln sie sich in
wertvolle Erinnerungen. Für mich persönlich stellen einige Momente unserer
Israel-Exkursion im März dieses Jahres eine solche Form der Erinnerungen dar.
Sie sind Erinnerungen an eine Zeit, die mir – obgleich mehr als ein halbes Jahr
danach – noch immer klar in Gedächtnis verblieben sind.
Gerade heute wurde ich mir
dessen erneut bewusst, als ich während der Vorlesung „Storia della Giudea al tempo di Gesù“ einmal mehr verstand, als wie
bereichernd und gewinnbringend unsere „Reise des Jahres“ retrospektiv angesehen
werden darf! In der Vorlesung heute wurden indes verschiedenste Städte Israels
zur Zeit Jesu beleuchtet. Monoton und öde? Nein! Keineswegs mehr bloße Zahlen
und Fakten, keineswegs eine langweilige Lektion, keineswegs das Gefühl, der
Minutenzeiger bewege sich bei Betrachtung der Uhrzeit wohl eher in die falsche
Richtung! Schließlich bei Masada angelangt, fragte der Professor: „Wer war denn
schon einmal dort?“ Nur wenige hoben den Arm, nur wenige hatten ein Blitzen in
den Augen. Eben diejenigen, die schon einmal dort gewesen waren, konnten
nachvollziehen, was er damit meinte, wenn er von der „außergewöhnlichen
Schönheit und Einzigartigkeit Masadas“ sprach. Sein Vortrag war gerade deswegen
mitreißend, da ich nachvollziehen konnte, wovon er redete und was er zu sagen
beabsichtigte. Warum mir das heute gelang? Ganz einfach! Weil er von geografischen
Begebenheiten sprach, die man selbst wahrgenommen hatte. Wir waren vor knapp
sechs Monaten an eben jener Stelle gestanden, von der er heute erzählte, sie
sei im Jüdischen Krieg als eine der letzten Bastionen des Widerstands gefallen.
Wir hatten, wie zwei Jahrtausende zuvor, die brennende Hitze am eigenen Leib
verspürt. Wir hatten, wie 2000 Jahre zuvor, den staubigen Geruch, der in der
Luft liegt, vernommen. Ja, uns bot sich durch die Exkursion an diesem Tag die
Möglichkeit, uns direkt am Ort des Geschehens vorzustellen, wie es wohl gewesen
sein musste, von einer römischen Legion mehrere Wochen hindurch belagert worden
zu sein; nach einiger Zeit ganz genau abschätzen zu können, dass es keinen
Ausweg mehr geben würde. Wir verstanden, warum es kam, wie wir es in den
Geschichtsbüchern vorfinden. Aber noch mehr: Wir konnten von jetzt an nachvollziehen,
warum es zu der empfindlichen Niederlage
gekommen war, da wir uns selbst in die Lage eingefühlt hatten. Ja, wohl auf
keine andere Weise wird Geschichte so lebendig, wie bei der Gelegenheit, die
sich uns durch diese Exkursion bot: Das Glück zu haben, die theoretischen
Punkte der Lektionen mit den eigenen persönlich gemachten Erfahrungen
verknüpfen zu können! Nicht nur deshalb kann ich mit gutem Recht behaupten,
dass die Exkursion nach Israel für einen jeden von uns absolut inspirierend
war.
Wie gerne erinnere ich mich neben
den Erfahrungen, die wir in Masada machen durften, auch an jene in Qumran
zurück, wie oft gehen mir die Bilder von Caesarea Maritima, Banyas oder Jericho
durch den Kopf. Wie sehr danke ich, dass wir das Glück hatten, mit
palästinensischen Studenten an der Universität Bethlehem sprechen zu können. Wie
oft denke ich an das Faksimile der berühmten Handschrift des Buches Jesaja und
die anderen Handschriften, die in Qumran gefunden wurden. Auch emotional denke ich
gerne an die zwölf Tage im Heiligen Land zurück. Besonders die Erinnerung an
die Heiligen Messen am Abend in unmittelbarer Nähe zum See Genezareth ist mir
noch immer präsent. So schön waren die Gottesdienste, die wir dort in jener
Gegend feierten, in welcher gut 2000 Jahre zuvor Jesus seine Jünger berief und welche
eine solche Bedeutung für sein erstes Wirken haben sollte. Freilich bin ich mir
auch Jerusalems eingedenk, das mit seiner Historie seinen ganz eigenen Charme
besitzt. Wir trafen auf Menschen unterschiedlichster Anschauungen und bekamen ein
Stück weit mit, wie viele verschiedene Glaubensrichtungen dort neben-, gegen
und glücklicherweise ein Großteil von ihnen auch friedlich miteinander leben!
Als besonders spannend empfand ich es, einen Einblick in das geschichtliche,
politische, kulturelle und verständlicherweise religiöse Verhältnis der
abrahamitischen Religionen erhalten zu haben, deren Verflechtungen wohl an
keinem anderen Ort auf der Welt als in Jerusalem so deutlich auszumachen sind.
Dass man die bereichernden Momente, welcher Art sie auch immer sein mögen, am
eigenen Leib zu verspüren vermag, ist wohl das bedeutendste Stück Gepäck, das
man in die Heimat zurückbringt und mit dessen Hilfe man mit verändertem
Blickwinkel die kommenden Ereignisse betrachtet und reflektiert.
Am Ende der Reise standen wir –
eine Gruppe von über 30 Personen, die sich vorher nur partiell kannte – wieder
am Flughafen München. Diesmal jedoch mit dem Gefühl der Freude und inneren
Zufriedenheit, mit der wir auf die vielen facettenreichen Momente der
zurückliegenden Tage blickten. Das Gefühl, das sich am Ende des breit
gefächerten Programms der Exkursion bei mir persönlich einstellte, als jeder
seinen Koffer erhalten hatte, der Exkursionsmarathon sein Ende finden und jeder
wieder in die Welt seines Alltags entlassen werden sollte, war, dass ich mich
gar nicht so recht von diesen in den letzten Tagen doch ein gutes Stück weit
ans Herz gewachsenen Personen trennen wollte. Wenn man bei der Verabschiedung
in die Gesichter der einzelnen geblickt hat, konnte man nicht leugnen, dass es den
anderen ebenso erging wie mir. Die Eindrücke aus Israel hatten eben ihre Spuren
hinterlassen…
Nicht zuletzt deshalb gilt
unser Dank in erster Linie Frau Nassauer, die uns diese so wunderbaren
Erfahrungen durch ihren reichen Erfahrungsschatz erst ermöglicht hat. Von
Herzen danken wir auch den anderen Lehrenden für ihren Einsatz in diesen
ereignisreichen Tagen. Des Weiteren gilt mein Dank gerade auch jenen, die die
Durchführung dieser zweifelsohne bereichernden Studienreise, die diesen Titel
zurecht trägt, unterstützten, sei es durch ihren geistigen Beitrag, sei es
durch das finanzielle Unter-die-Arme-greifen. Schließlich bedanke ich mich
selbstverständlich auch bei jedem Einzelnen von euch. Denn ohne jeden Einzelnen
wären die Tage gewiss nicht zu dem geworden, was sie noch heute für uns
ausmachen: unsagbar wertvolle Momente, an die wir uns alle gewiss noch lange
erinnern werden!
Erlebnisse kommen und gehen.
Bisweilen werden sie zu wirklichen Erfahrungen. Aber nur selten verwandeln sie
sich in wertvolle Erinnerungen. Diese Israel-Exkursion zählt zu einem solch
seltenen Moment des Glücks!
Christoph Weber